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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 17 (1. Juniheft 1918)
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Alte und neue Staatsbürgerkunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0140

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2.

In erster Linie nnd gewissernraßen inr Sinne einer Fachwissenschaft ist Poli--
tische Weltkunde Sache der Staatsmänner und Diplomaten, der General- und
Admiralstäbler, der Parlamentarier und Politiker, der Großkaufleute und Groß-
bankherren. Darüber hinaus aber wird es von elementarer Wichtigkeit für
deutsches Volks- und Staatsdasein werden, ob diesen mehr durch Beruf nnd
persönliche Stellung nächstinteressierten Kreisen das nötige Verständnis seitens
der viel zahlreicheren geistigen, politischen und wirtschaftlichen Unterführer
zur Seite steht. Versagen die Gebildeten im ganzen, so fange man lieber gar
nicht erst an mit der Aufklärnng der breitesten Volksschichten; es wäre vergebene
Liebesmüh'!

Wie die Dinge vermutlich noch auf längere Zeit hinaus liegen werden, hat
folgerichtig die höhere Schule einen ganz besonders wichtigen, wenn nicht den
entscheidenden Teil zugunsten der politischen Weltkunde beizusteuern. Ieden-
falls muß gewarnt werden vor einer Aberschätzung der Neueinrichtung des
akademischen Auslandsstudiums nach seiner Gesamttragweite. Anderseits kann,
wie gesagt, an eine planmäßige derartige Unterweisung und Erziehung der
Mindergebildeten nicht ernstlich gedacht werden, ohne daß gründliche Vorarbeit im
eigenen Bereich der höheren Bildung geleistet worden wäre. Amd auf welch töner-
nen Füßen müßte gar das akademische Auskandsstudium stehn, wenn die Grund-
lage so bliebe, wie sie heute noch durch die höheren Schulen in dieser Beziehung
durchschnittlich gelegt wird, in ihrem mehr als bescheidenen Ausmaße! Der Ge-
schichtsunterricht allein wird selbst im günstigsten Falle diesen neuen Aufgaben
nicht gewachsen sein. Anf das entschiedenste muß darnm auch dem anscheinend weit-
verbreiteten beruhigenden Glanben entgegengetreten werden, als sei mit dem
vielberufenen preußischen Geschichtserlaß von IZ15 in Hinsicht auf die Politische
Bildung ein — zum mindesten vorläufiger — befriedigender Abschluß erreicht
worden. So sehr dem Geschichtsunterricht höherer Schulen eine maßvolle Er-
weiterunL über den räumlichen Gesichtskreis von Vaterland und Antike zu wün-
schen wäre, so sind diesem Streben doch enge Grenzen gesetzt, will anders die
schulmäßige Geschichte nicht Gefahr laufen, sich neben einigen Iahrtausenden
zeitlichen Geschehens noch über mehrere Dutzend Millionen Geviertkilometer
zu verbreiten, um schließlich in dem Wunsche, allen Anforderungen gerecht zü
werden, keiner ganz zu genügen. Es ist klar, daß in die aufgezeigte Lücke die-
jenige Wissenschaft fördernd und sehr viel mehr als bloß ergänzend hinzutreten
hat, die den physischen und politischen Verhältnissen in ihrer räumlichen Anord-
nung an der Erdoberfläche und dem ursächlichen Zusammenhang dieser Er-
scheinnngen nachgeht: die Erdkunde. Wie dieses Schulfach, einmal auf
der Oberstufe, die ihm natürlichen bedeutsamen Aufgaben im ganzen der welt-
politischen Bildung lösen kann, ohne daß sie ans ihrem bisherigen Schatten-
dasein im Gefolge des Geschichtsunterrichts endgültig befreit wird, und ohne
daß fachwissenschaftlich wie fachmethodisch gründlich gerüstete Lehrkräfte diesen
Anterricht erteilen — das wissen allein die in unsern Tagen besonders beredten
Allerweltspädagogen, die nur zu gern neuen Wein in alte Schläuche gießen
möchten. Abrigens sei der wertvollen Hilfe nicht vergessen, die neben den ge°
nannten Schnlfächern namentlich die neueren Fremdsprachen, sowie das Deutsche
und die Religion leisten können und leisten müssen. *

* Näheres 'über die Politische Weltkunde im ganzen und ihre künftige
Stellung in Bildung und Anterricht in meiner Schrift: Politische Weltkunde.
Ein Beitrag zur Volksbildung. Mit Vorwort von Dr. Paul Rohrbach. Verlag
Chr. H. Zauchnitz, Leipzig W7.

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