Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1918)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Hodler in unsrer Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0161

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Hodler in unsrer Kunst

Behauptung sagt schwerlich zu viel: daß seit zehn Iahren nicht nur
^A^in der Schweiz, anch in Deutschland kein einziger Maler die Menschen so
erregt hat, wie Hodler. Damit ist durchaus nicht gesagt, daß seine dauernde
Bedeutung dem entspräche. Aber der Kunstwart, der als erstes reichsdeutsches
Blatt schon s8W anch mit Bilderbeilagen für Hodler eingetreten ist, hat bei
dessen Lode erst recht die Pflicht, Stellung zu nehmen. Dabei geht ihn Hodlers
politisches Verhalten nicht das geringste an. Wenn uns ein Starker und
Echter beleidigt hat oder beleidigen wollte, also einer, den wir weder für einen
Lumpen, noch für einen Narren, noch für einen Armen am Geiste
halten, so gibt es trotzdem einen Zeitpunkt, bei dem allerspätestens und auto-
matisch unser Groll zu erlöschen hat, bei seinem Tod. Hodler hat dem fran-
zösischen Schwindel über Reims geglaubt und „protestiert". Ich habe diese Äber-
eilung nie tragisch genommen, aber auch wer das tat, dem wird sie jetzt er°
ledigt sein. Was einen Gestorbenen allein überlebt, das sind ja nicht seine
Schwächen, sondern seine Stärken, die stärksten aber sammeln sich beim Schaffen-
den im Werk. Geht Hodlers Werk uns an? „Das Starke aus andrer Völker
Gehirn bedeutet für nns ähnliches wie für die Industrie der Rohstoff. Gewiß,
es wächst auch welcher im Land, aber nicht aller, den wir brauchen. Änter-
binden wir die Zufuhr von wirklichen Werten auch auf den Gebieten des Geistes
nicht!" Das habe ich in der ersten Kriegszeit geschrieben, finde es jetzt zitiert

und bekenne mich abermals dazu. Das Wertvollste an der Kunst ist das,

was eine kraftvolle Persönlichkeit aus dem Unbewußten hebt. Im Änbewußten
wohnt Volk und Rasse, wohnt aber auch das Gemeinsame allen Menschen-
tums. Nur den Flachkopf und das Matthirn gefährdet die Vertiefung in an-
tiken, romanischen, angelsächsischen, russischen, japanischen, indischen Geist, für
den Starken kann solche Vertiefung in Fremdes sogar zum Geburtshelfer von
Eigenem werden. Weg mit allem, was nur die Mode von fremdem Lande

herübergespült hat, aber her mit allem, was irgendwo Kraft ans den Tiefen

geholt hat — irgendwo! Wachen wir, daß das Kunstmoden-Mitmachen
auf die Leute beschränkt bleibe, bei denen da nichts zu verderben ist, aber auch
darüber, daß uns nicht etwa fördernde und stärkende Menschheitswerte durch
ein Brauen von Denknebeln umschleiert werden, die man für patriotisch hält!

^n Hodlers Werk geben sich nicht nur die Geister jetzt entzweiter Völker,
<)sondern auch die Schaffenstriebe, die „Stilprinzipien" weit entfernter Welt-
teile und einander widerstrebender Zeitalter Stelldichein. Außer dem Deut-
schen und Französischen ist darin unverkennbar altpräraffaelitisch Italienisches

G

s29

2. Iuniheft 19t« jXXXI, t8>
 
Annotationen