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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 18 (2. Juniheft 1918)
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Gregori, Ferdinand: Auch ein Epilog: zum Ausgang der Bühnenspielzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0165

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hätten. Einmal wäre sogar eine eingesandte Arbeit dem Verfasser unaufge»
schnitten zurückgegeben worden! Ungeheures Gelächter auf der ganzen Linie und
ungezählte Wiederholungen und Erweiterungen der brandmarkenden Notiz!
Ergebnis: das Theater ist ein Sumpf; weder Pflichtbewußtsein noch Ideale
zieren den Bühnenleiter.

Ich will dahingestellt sein lassen, ob nicht auch ein recht ansehnlicher Teil
von Bokal- und Instrumentalkompositionen ungeprüft und unaufgeführt bleibe;
ob Maler und Bildhauer alles, was sie für wertvoll halten, anbringen und
verkaufen, ob jeder Architekt seinen gebefreudigen Bauherrn, jeder Roman
seinen Verleger und den gewünschten Absatz finde; ob es also beim Theater
schlimmer stehe als auf anderen Kunstmärkten. Ich persönlich glaube das nicht.
Und wenn es zahlenmäßig wirklich schlimmer aussieht, so erwäge man das eine:
Zur Herstellung eines Notenbildes, eines Schwarzweißblättchens, einer bepinsel-
ten Leinwand, eines verlehmten Meerschweinchens oder eines Grund- und Auf-
risses bautechnischer Einfälle gehört immer noch eine Art von Können, wie
es in den unteren Volksschulklassen bloß unvollkommen gelehrt werden kann;
und sogar die weniger schwierige Aufgabe, einige dicke Diarien mit erzählender
Prosa zu füllen, verlangt eine Eigenschaft, die nicht jedermann geläufig und
bequem ist, Geduld — unberührt aber von solchen oder ähnlichen rätselhast
hochgespannten Forderungen schreibt der primstive Mensch, also fast jeder ein--
mal im Leben, sein „Drama", um sich mst Shakespeare zu messen und um
der, wie männiglich weiß, herabgekommenen dramatischen Dichtung, der ver°
scuchten Bühne und der an Rollenmangel hinsiechenden Schauspielkunst wieder
auf die Beine zu helfen; ganz zu geschweigen von der bis zu diesem Zeitpunkt
vernachlässigten „Erziehung des Publikums", die endlich einmal energisch in
die Hand genommen werden müsse. Gestützt auf die Erfahrnng von Schillers
unvorhergesehenem „Räuber"- und Sudermanns „Ehre"-Erfolg darf dann wohl
so ein von höchster Uneigennützigkeit bewegter Verfasser, der drei ganze Ferien-
wochen an die Niederschrift seiner dramatischen Schöpfung gesetzt hat, die
lächerlich bescheidene Bedingung stellen, daß sein ganz und gar originelles Werk
innerhalb der nächsten zwei Monate zum Siege geführt werde; unter Zu°
ziehung aller über Deutschland verstreuter, hervorragender schauspielerischer und
dekorativer Kräfte und mit einem Bühnensystem, das aus einer Mischung von
Dreh-, Versenk-, Wagen- und Reliefbühne besteht. Solcher „origineller" Werke
schießen jährlich vielleicht dreitausend auf. Da aber der Theaterleiter sie nun
nicht, wie es einer malerischen Ausstellungskommission gestattet ist, auf einmal
und nebeneinander hängen kann, sondern jedem einzelnen eine geraume Zest
der Vorbereitnng widmen muß, so verweist er gern auf die schlichte Rechnungs-
art des Dividierens: cine Spielzeit reicht zur Befriedigung aller Wünsche
nicht aus; und im nächsten Winter wird sich das nächste Dreitausend vor ihm
anftürmen!

Dies also beiseite. Was ist denn in Wirklichkeit die Pflicht des Theater-
leiters, die der zeitgenössische Dramatiker einzig und allein auf sich beziehen
möchte? Darf er, seiner Pflichten eingedenk, Idealen ins Blaue nachjagen?
And decken sich gerade die Werte der unaufgeführten Dramen mit den Idealen
des Theaters, niemals die der aufgeführten?

Der selbständige Theaterleiter hat wie jeder Anternehmer materielle
Verträge einzuhalten und die schauspielerischen stehen an erster Stelle. Ohne
Dichtcr ist eine Bühne schon möglich gewesen, ohne Darsteller nicht. Das
Personal muß eine geschlossene Einheit sein, reich an Individualitäten und als
Ganzes jeder herkömmlichen Aufgabe gewachsen. Grundstock des Spielplans

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