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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 18 (2. Juniheft 1918)
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Gregori, Ferdinand: Auch ein Epilog: zum Ausgang der Bühnenspielzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0166

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das klassische Stück, das, in würdiger Form geboten, noch nie versagt hat; es
ist außerdem für die stärksten Schauspieler von je der willkommenste Tummel»
platz ihrer Begabung gewesen und — für die Beurteilung — das Maß der
Dinge geworden. Aber auch der angestellte Theaterleiter steht zunächst unter
diesenr doppelten Zwange. Die Zubußen der tzöfe und Städte sind durchaus
nicht grenzenlos und rechnen mit einer genau bestimmten Durchschnittseinnahme.
Wer solchen subventionierten Instituten das Ertragen schlechter Einnahmen um
erfolgloser zeitgenössischer Dramatiker willen sozusagen zur Tagespflicht nracht
und die Rücksicht auf die Abonnenten schlechthin zum Verbrechen, der fordert
nicht viel anderes als ein Theater ohne Publikum und führt sich selbst ad ab°
surdum.

Nur ganz selten steht einer neuen ernsten Bühnenarbeit der Erfolg an den
Stirn geschrieben. Es heißt Selbstmord begehen, wenn der Theaterleiter ein
ganzes Iahr auf die Unsicherheiten unerprobter Stücke stellt. Der Weg unsrer
Theateridealisten ist ein Gräberweg, fast ohne Denkmal. Kaum ein Name
bleibt und wenig Dank. Geschäftskundigkeit gehört so untrennbar zur Führung
wie Talentwitterung. Aber obgleich sich die Leiter im stillen auf diese beiden
unpathetischen Eigenschaften geeinigt haben, sind ihre Spielpläne doch voller
von jungen dramatischen Versuchen als in romantischeren Zeiten. Etwas Pfiffig-
keit, etwas Eitelkeit mag mit unterlaufen. Bald gilt es, dem Konkurrenten eine
Entdeckung wegzuschnappen, bald, in der hauptstädtischen Presse gerühmt zu
werden.

Nun aber fallen von hundert neuen Aamen neunundneunzig ins Wasser;
ein- oder zweimalige Aufführung in einer einzigen Stadt; kein Mensch hört
wieder etwas davon. Die Frage drängt sich auf: rechtfertigt der einprozentige
Erfolg die aufgewandte Mühe? Sie ist nicht gering; für jede Uraufführung
wird der gesamte Theaterapparat auf mindestens zehn Tage, oft auf einen
Monat mit Beschlag belegt. Nnser geschmähtes Theater gibt die mutigste Ant-
wort darauf: es versucht sein und der jungen Werbenden Glück immer aufs
neue.

Verdient es sich wenigstens ihren Dank, wenn schon der des Publikums aus-
bleibt? Mitnichten. Wie oft schieben Autoren den eigenen Mißerfolg den
Schauspielern und Spielleitern in die Schuhe! Wie gern die Kritik! Nnd nun
kommen die andern aus den Winkeln hervor, die noch nicht durchgefallen sind
und die das Unheil, das der andre angerichtet, längst vorausgesehen haben;
nun wollen sie heran und versprechen den ganz sicheren Sieg, schwurartig.

Leben, Buntheit, Wellenschlag. Kein Zweifel, daß im unruhigen Getriebe
des dramatnrgischen Prüfens oftmals Stimmungen entscheiden; daß einmal ein
wenig Begabter, der sich aufs Bohren versteht und noch ein paar Freunde zum
Mitdrängeln gewinnt, dem Hochbegabten den Rang abläuft. Aber wir haben
ja fünfzig Theater, wo anzuklopfen es sich verlohnt, und mehr als fünfzig
ehrgeizige Lektoren, die früh und spät am Werke sind, Talente oder gar das
Genie der Zeit, der Znkunft zu finden! Ihr von Geldrücksichten ganz unab-
hängiges Urteil hat schon manchen ihrer materiell gearteten Vrotherren zu ciner
selbstlosen Tat vermocht. Und wo das Theater verneint, bejaht vielleicht ein
literarischer Berein. Auch da fahnden viele Freunde dramatischer Kunst nach
Starkem, ach, nur nach Erträglichem. Dennoch das klägliche Ergebnis.

Nutzlos ist es, gegen die Phalanx der Zuschauer anzurennen. Selbst die ge-
schlossenen literarischen Gesellschaften, die sich sonst beeinflussen lassen, begeben
sich vor der Bühne nie des Rechtes, gerade das zu verlangen, was sie instinktiv
für bühnengemäß halten. Eher schon könnte ein Aufruf an die Verfasser

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