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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,3.1918

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Heft 18 (2. Juniheft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: May-Rummel und freie öffentliche Kritik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14373#0176

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buchs" von Professor Dr. Anton Bettelheiin vom 2H März W8 und in
der Antwort darauf, die als „Noch einen Offenen Brief" Dr. Walter de
Hruhter vom Verlage Georg Reimer in Berlin soeben hat erscheinen lassen.
Professor Kleinberg hatte noch schroffere Sätze über Mah aufgestellt, sich
dann bereit erklärt, sie etwa bis zum Grade unsrer Wiedergabe hier zu mildern,
Bettelheim hatte auf rücksichtlos scharfer Fassung bestanden, de Gruhter war
dagegen. Da Bettelheim im Auslande lebt, hätte sich ein deutsches Gericht
an de Gruhter halten müssen, dieser erklärt aber, daß jene schroffen Wen-
dungen seiner Äberzeugung nach „das Bild Mahs zum mindesten über das
Beweisbare hinaus verdunkelten und noch lebende Personen des Mayschen
Kreises verunglimpsten" und daß er deshalb die Verantwortlichkeit für ihre
Drucklegung nicht hätte übernehmen können. Der gute Glaube und der an°
ständige Wille scheint uns bei de Gruhter ebenso wie bei Bettelheim und
Kleinberg außer Frage. Wo liegt im Sachlichen die Schwierigkeit?

Um das vorauszunehmen: nicht beim Gesetz. Eine Beleidigung von Leben-
den spielt kaum herein, der Anschein einer solchen hätte sich auch leicht ver-
meiden lassen. Es kann nur Z 1.89 in Frage kommen, der das Andenken eines
Toten gegen die beschimpfende Behauptung unwahrer Tatsachen wider bes-
seres Wissen schützt. Davon kann gar keine Nede sein. Kleinberg und
Bettelheim wissen und erwähnen zudem, daß Mah von mir womöglich noch
schlimmerer Dinge zu seinen Lebzeiten öffentlich beschuldigt worden ist, daß ich
ihn aufgefordert habe, mich zwecks Wahrheitsermittlung zu verklagen und
daß er dem nicht entsprochen hat. Als er gestorben war, erschien dann Dr.
Schmid bei uns, um für die Zukunft um gut Wetter zu bitten, derselbe Ver-
treter des Karl Mah-Verlags, der jetzt mit seiner Klagedrohung bei Georg
Reimers Verlag den Erfolg erzielt hat, daß ein nützliches und vornehm ge-
leitetes wissenschaftliches Unternehmen, das „Bibliographische Iahrbuch", wie sein
Verleger selber schreibt, „den Todeskeim" erhielt — wegen Karl Mays.

Nun erstaunt man zunächst: was brachte Professor Bettelheim dazu, einen
Aufsatz über Karl May zu wünschen? Gehörte denn dieser bedauerliche Herr
zu den Männern, welchen ein „deutscher Nekrolog" zu widmen war? Wenn
Bettelheim seine Aufgabe ernst nahm, so meine ich: j a. Mays Schriften hatten
so großen Einfluß, daß eine Aussprache über ihren Verfasser von der Auf-
gabe des Änternehmens geboten war, wenn es nicht mit dem billigen Satze
„wer Schmutz angreist, besudelt sich" bei der Mitwirkung am Neinigen schein-
vornehm beiseit bleiben wollte. May war nicht ein durch Leidenschaft zum
Verbrecher gewordener und dann geläuterter Mensch, sondern bis in die letzte
Zeit ein unheimlich unwahrhaftiger Mensch, der freilich nach seinen glänzen-
den Buchgeschästen zu eigentlichen Verbrechen auch keinen Anlaß mehr hatte.
Was ihm diese Geschäste ermöglichte, war einfach der Mangel an ästhetischer
Kultur im Volke. Wer „Kunst als Sprache des Nnaussprechlichen" verstand,
hörte auch in seinen stofflich nicht anstößigen Büchern von Anfang an zwischen
den Zeilen die falsche Stimme, deshalb wurde im Kunstwart vor ihm schon
gewarnt, ehe wir von seinen Lebensverhältnissen das mindeste wußten. And
deshalb warnen wir weiter und mit allem Ernste davor, seine Bücher zu
fördern. Gerade weil er ein geschickter Macher war, stumpfen sie das natür-
liche Gefühl für Ausdruck des Innenlebens, für aufrichtig und erlogen, echt
und falsch und damit das Grundgefühl allen gesunden Verhältnisses zur Kunst
ab. Insbesondere für die noch kritiklose Iugend ist Mah einer der gefährlichsten
Verzieher. So dachte ich, so dachten wohl auch Bettelheim und Kleinberg,
und darum sühlten sie in sich die natürliche Pflicht des Kulturarbeiters: Ver-
derblichem gegenüber ein- unü anzugreifen, wo man's eben kann.

Freilich ist auch Dr. de Gruyters Verhalten auch dann verständlich, wenn
man vom Widerwillen gegen einen Prozeß ganz absieht. „Aber Lote nur
Gutes" — es widerspricht eben dem Anstandsgefühl, von den Niedrigkeiten
eines Loten zu reden. Nur: als Iugend- und Volksverderber lebt May noch,
wirkt und also schadet er noch. And nicht bloß aus der Kraft seiner Bücher
 
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