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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 12.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.13559#0026

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endlich segensreich gewirkt haben, wer wollte das leugnen! In
den dreißiger und vierziger Jahren, als die moderne deutsche
Kunst, mit Absehung von einzelnen, aber dem Volksbewußtsein
fremden Koryphäen, noch in den Kinderschuhen ging, als die
alt-düsseldorfer Romantik und ihre Epigonen sich zuerst eine
Popularität errangen, welche das allgemeine Kunstinteresse der
Nation erregte, als die „Goldschmidt's Töchterlein", die „Krieger
mit dem Kinde", die „trauernden Königspaare" u. s. f. eine
naive und warme Sympathie im Publikum erweckten, welche wir
heute bei der Betrachtung dieser ziemlich trocknen Sentimenta-
litäten unerklärlich finden: damals bildeten die Kunstvereine fast
das einzige Verbindungs- und Vermittlungsglied zwischen den
Künstlern und dem kunstbedürftigen Publikum und förderten
nach beiden Seiten hin, durch Ermuthigung anstrebender Talente
wie durch Anregung und Bildung des Kunstverständnisses, auf
ungemeine Weise. Jenen Männern, welche sich der Gründung
und Leitung der Kunstvereine unterzogen und welche zum Theil
, noch heute, wie der verdienstliche Dr. Lucanus in Halberstadt,
mit unveränderter Theilnahme für das Interesse der Kunst-
vereine thätig sind, gebührt daher der Dank der Künstler wie
des Publikums unzweifelhaft in hohem Grade; denn ihren Be-
mühungen ist zum großen Theil der wenigstens dem Umfang
nach gewaltige Aufschwung der deutschen Kunstthätigkeit zuzu-
schreiben.

Allein die Medaille hat auch eine Kehrseite. Jener Zweck,
dem die Kunstvereine vorzugsweise zu dienen berufen waren,
nämlich das Kunstinteresse im Publikum anzuregen und dadurch
wieder belebend auf die Kunstproduction zu wirken, ist — mehr
als vielleicht nöthig — erreicht. Darüber hinaus droht die
Gefahr, daß eine Fortsetzung der bisherigen Thätigkeit lediglich
der Mittelmäßigkeit Vorschub leistet. Hierin soll durchaus kein
Vorwurf liegen, sondern indem wir die Unvermeidbarkeit dieser
bedenklichen Konsequenz aufweisen, wollen wir darauf nur die
Folgerung begründen, daß es im eignen wohlverstandenen In-
teresse der Vereine, besonders aber der Kunst selbst geboten ist,
ernstlich an eine Regenerirung der Kunstvereine zu denken.

Die Erklärung aber jener Schlußfolgerung ist sehr ein-
fach. Daß die deutsche Kunst in den letzten Decennien, sowohl
was Technik als was Vertiefung des geistigen Inhalts betrifft,
bedeutende Fortschritte gemacht hat, daß in Folge dessen die
Anforderungen an den künstlerischen Gehalt eines Werkes sich
in verhältnißmäßigem Grade gesteigert haben: Dies wird wohl
Niemand läugnen wollen. Die Kunstvereine dagegen sind, ge-
bunden an ihre Verfassung, stabil geblieben, ja, statt daß
ihre Mittel gewachsen sind, zeigen dieselbe eine bedeutende Ab-

nahme. Sie können also kaum noch auf den Ankauf von Ver-
loosungswerken soviel verwenden, wie früher, während die Preise
für die heute als gediegen geltenden Werke in die Höhe gegan-
gen sind. Aus dieser einfachen Berechnung folgt von selbst,
daß die Kunstvereine bei ihren Ankäufen hauptsächlich auf Mit-
telgut angewiesen sind, und ist diese Nothwendigkeit erst einmal
im Princip anerkannt, so folgt von selbst, daß gerade dadurch
der Mittelmäßigkeit Vorschub geleistet wird, weil sie dieselbe zu
einer Thätigkeit ermuthigen, die vielleicht nach einer anderen
Seite besser ungewandt wäre.

Die Mittelmäßigkeit zu ermuthigen, kann aber Wohl kaum im
Interesse irgend eines Kunstinstituts liegen, es müßte denn,
wie bei gewissen Privatvereinen, auf eine das Publikum täuschende
und den Geschmack verderbende Spekulation dabei abgesehen sein.

Was ist nun zu thun, um zwischen diesen beiden Klippen:
gänzliche Aufhebung der Kunstvereine oder Beförderung der
Mittelmäßigkeit, hindurchzukommen und den Vereinen eine neue
Thätigkeit zu eröffnen, welche, ohne ihrer Existenz zu schaden,
doch der wahren Kunst dienstbar werden könnte.

Zweierlei Wege bieten sich dazu dar; doch bemerken wir
im. Voraus, daß dieselben nur dann zum Ziele führen, wenn
ihre Durchführung in Folge des Beschlusses eines allgemeinen
Kongresses sämmtlicher Kunstvereinsvorstände ohne Ausnahme
bei allen Vereinen gesichert ist.

Entweder: Durchgehende Aufhebung aller Nieten-
blätter, deren Herstellung den größten Theil der Vereins-
mittel absorbirt;

Oder: Allgemeine Erhöhung des Jahresbeitrages
um mindestens 25 Procent.

Das Eine wie das Andere jedoch mit der Verpflichtung,
nur wirklich künstlerisch werthvolle Werke anzukaufen.

Indem wir schließlich bemerken, daß wir beide Eventuali-
täten einer kurzen Betrachtung unterziehen wollen, bitten wir
noch diejenigen der verehrlichen Kunstvereinsvorstände, welche
gleich uns von der Nothwendigkeit einer durchgreifenden Rege-
nerirung der Kunstvereine überzeugt sind, um Mittheilung ihrer
Ansichten und geeigneter Vorschläge zur Erreichung dieses Ziels.
Die Frage ist für das öffentliche Kunstleben und für die Existenz
der Kunstvereine eine zu wichtige, als daß nicht alle Erfahrungen
benutzt und alle Ansichten darüber gehört werden sollten. Mögen
sich daher die Vorstände aussprechen, wir werden mit Dank
jede Mittheilung entgegennehmcn und zur Veröffentlichung
bringen. Vielleicht wird durch diesen Austausch der Ansichten
die Idee des Kunstvereins-Kongresses am schnellsten gefördert
und zur Reife gebracht. M. Sr.

Korrespondenzen.

ünchen, Anfang Januar. (Die Konkurrenz für
den Rath Haus bau). In Folge des im Decem-
ber 1865 vom hiesigen Magistrat erlassenen Auf-
rufs zu einer Konkurrenz für Erbauung eines neuen
Rathhauses für München war eine sehr große An-
zahl architektonischer Pläne eingegangen, über welche
ein Schiedsgericht, bestehend ans dem württemb. Oberbaurath von
Egle, dem bahr. Oberbaurath v. Boit und dem bayr. Baurath
Neureuther, nach eingehender Prüfung im Laufe des Sommers

das Urtheil abgegeben hatte, daß keinem derselben der erste Preis
von 2000 fl. zuzuerkenneu sei. Den zweiten Preis von 1000 fl.
erhielt der Prof. Ludwig Lange; den dritten mit 500 fl. ein
junger Architekt Bluntschli. Mit der auf diese Weise vakant ge-
wordenen Summe des ersten Preises kaufte der Magistrat noch einige
der nicht begutachteten Pläne an, um womöglich Theile derselben
für einen zur Ausführung zu bestimmenden Plan benutzen zu können.
Gegen dieses Verfahren erhob Prof. L. Lange Einsprache und
strengte sogar einen Prozeß gegen den Magistrat an aus Grund der
 
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