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Johann Trost und die WiffenMH der froportionslchre.
Vorbemerkung der Nedaction: Da die „Stu-
dien zur Charakteristik bedeutender Künstler
der Gegenwart"/welche wir heute wieder mit einer
Biographie des jüngst verstorbenen Christian Mor-
genstern's bereichert haben, sich ihrer Bestimmung
gemäß nur mit Künstlern von Fach beschäftigen kön-
nen, so glauben wir eine schätzenswerthe Charakteristik
des verstorbenen Prof. Trost, welche uns von dem Freunde und lang-
jährigen Assistenten desselben an der Bibliothek der k. k. Akademie der
Künste in Wien, Hrn. vr. Agathou Kl eint, zur Veröffentlichung
übersandt wurde, am passendsten an dieser Stelle bringen zu können,
um so mehr, als der Verfasser der Biographie die wissenschaftlichen
Leistungen des Verewigten im Gebiete der Proportionslehre in nähere
britische Betrachtung zieht.
Am 8. Februar d. I. ist zu Wien der emeritirte Rath, Pro-
fessor und Bibliotheks-Borstand an der k. k. Akademie der vereinigten
bildenden Künste zu Wien, Johann Trost, nach einem vielseitig
verdienstlichen Leben im 78. Lebensjahre verschieden. Sein Ende
war der Schluß eines im Stillen rastlosen, wissenschaftlichen Wir-
kens, und selten wird die Kunst einem Manne der Wissenschaft so
^iet zu danken haben wie dem Verblichenen; brachte er doch einen
Gegenstand zum Abschlüsse, der Jahrtausende lang die bedeutendsten
Künstler, Kunst- und Naturforscher beschäftigte, nämlich die Lehre
von der Proportion des menschlichen Körpers, welche Leistung viel-
fache Anerkennung und auch in diesen Blättern (Jahrgang 1866,
M. 8, 9, 10 15 und 18) eine ehrenvolle Würdigung erhalten hat.
Johann I. Trost wurde am 16. Mai 1789 zu Aschaffen-
k'nrg in Bayern geboren, woselbst er auch seine Schul- und Univer-
f'tätsstudien, die außer Mathematik und Physik, Philosophie im aus-
öedehnten Sinne des Wortes umfaßten, vollendete, und nach Be-
dingung derselben bereits in seinem 21. Jahre, freilich in jener,
wden bedeutenden Keim sorgsam pflegenden Zeit, und von einem
^anne, den Deutschland zu den besten zählt, dem Fürsten-Primas
b°n Dalberg, eine Professur der Philosophie und eine dreijährige
^"ise auf Staatskosten angctragcn erhielt. Doch er hatte bereits
fkin Wort gegeben, die Erziehung des älteren Sohnes des Grafen
Kuniburg in Mähren zu übernehmen, und, das kennzeichnet durchaus
Charakter, dem er sein ganzes Leben lang treu blieb, und so
bwließ au seinem gegebenen Worte festhaltend, 1810 seine Hei-
sch, um die Erziehung beider Söhne des Grafen zu vollenden.
Jahre 1831 trat er eine wissenschaftliche Reise nach Paris
blieb dort durch eilf Monate und übersetzte Ponillet's „Physik."
j n Jahre 1832 kam er nach Wien und erhielt 1835 eine Pro-
fsfsnr an der k. k. Akademie der Künste und die Leitung der Bib-
wthek dieser Anstalt.
Man hatte damals die Absicht die Akademie zu einer Universal-
üdungs-Anstalt für Künstler zu gestalten, die denselben nicht bloß
Ie Fachbildung gewähren, sondern auch die Gymnasial- und Uni-
bbrsitatsstudien ersetzen sollte. In diesem Sinne trug nun Trost
Kunstgeschichte, Aesthetik, Licht- und Farbenlehre, außerdem anderes
aturwiffenschaftliche und was sonst noch aus dem reichen Schatze
Wwes Wissens zur allgemeinen Bildung der Schüler beitragen konnte,
^bch eine Reihe von Jahren vor. Später, im Jahre 1847 unternahm er
^,v Erweiterung seiner Kenntnisse auf dem Kunstgebiete auf eigene
°fken eine Reise nach Rom und Neapel. Nach seiner wegen Aen-
dernng des Studienplans erfolgten Enthebung von der Lehrkanzel
behielt er bloß die Leitung der akademischen Bibliothek, die sich unter
seiner Amtirung auf das Sechsfache, und der Kupferstichsammlung,
die sich über das Zwölffache vermehrte. Eines der Hauptverdienste
des Verewigten als Bibliothekars war die Erzielung einer außer-
ordentlichen Verwendbarkeit der Bibliothek, und zwar durch die Durch-
führung eines systematischen Blätterkataloges. Wie erschöpfend dieser
geführt wurde, möge aus Folgendem ersehen werden. Es wurde aus
dem Inhaltsverzeichnisse jedes Werkes das einzelne Kapitel, der ein-
zelne Paragraph, oder überhaupt, was ein unterscheidbares Theil-
ganze bildet, mit Angabe des Werkes, Bandes und der Seite auf
besonderes Blatt, und, berührte z. B. ein Paragraph zwei verschiedene
Gegenstände, auf zwei Blätter geschrieben, so auch der Titel jedes
Journalartikels mit seiner genauen Bezeichnung. Auf diese Weise
bilden die Blätter, nach Gegenständen, welche dann als Schlagwörter
dienen, zusammengelegt, für jeden Gegenstand einen eigenen, in sich
alphabetisch nach Autoren geordneten Fascikel, welcher die ganze über
diesen Gegenstand vorhandene Literatur, jeden Journalartikel mit
einrechnet, angiebt. So wurde es möglich, über jede beliebige
Frage augenblicklich die ganze Bibliothek wie ein großes Reallexikon
nachzuschlagen. Zu erwähnen ist hier auch, mit welch' seltener Zu-
vorkommenheit dies im gegebenen Falle von Seite Trost's zu geschehen
pflegte. Die ungeheure akademische Kupferstichsammlung wurde nach
Bartsch bestimmt, zu Uuterrichtszwecken nach Malerschulen gelegt
und katalogisirt, erhielt aber auch einen Paralellkatalog nach den
Kupferstechern, und mit Hilfe dieses können nun, etwa zum Zweck
einer Monographie über einen Kupferstecher, dessen Werke mit ziem-
licher Schnelligkeit aus den verschiedenen Mappen herausgezogen und
selbstständig zusammengelegt, nach gemachtem Gebrauche aber wieder
in die vorige Lage gebracht werden.
Seiner ursprünglichen Vorbildung gemäß blieb Trost auch im
Dienste der Kunst Philosoph und Naturforscher, und widmete, wie
schon Eingangs erwähnt, seine Hauptthätigkeit in dieser Hinsicht
einem Unternehmen, dessen riesige Schwierigkeit und dessen Verdienst
eigentlich nur der Fachmann zu würdigen vermag, nämlich den
Untersuchungen über die Proportion'des menschlichen Körpers, und
der künstlerischen Bildung menschlicher Gestalt, einmal eine wirklich
wissenschaftliche Basis zu geben; nicht auf Grundlage geistreicher
oder willkürlicher Hypothesen, sondern durch Auffindung eines an-
wendbaren, relativen Maaßstabes und durch genaue Messung der
normal gebildeten Natur und der vorzüglichen Antiken. Was zuerst,
freilich unter steter Anschauung der schönen Natur, nur instinktmäßig
aus der Seele des Künstlers als Idealbild erschien, das wurde hier
vom gereiften sondernden Kunstverstande auf rein theoretische Weise
untersucht und in seiner, widerstrebenden relativen Regel als Norm
festgehalten, um, als Korrektiv, wieder in die Hand des aus-
übenden Künstlers zu gelangen. Die Proportionslehre des menschlichen
Körpers, die schon bei den Egyptern durch die Einfügung der sexa-
gesimal getheilten natürlichen Körperlänge, als des sechszigtausendsten
Theiles des mittleren Meridiangrades, in das allgemeine Maaßsystem
auch der Bild- und Bauwerke lange vor Eratosthenes und der Er-
richtung der Pyramiden Gegenstand der Untersuchung gewesen sein
muß. fand zu allen Zeiten, und zwar nicht nur unter den bilden-
den Künstlern, Bearbeiter, so an Polykleitos, Myron aus Eleu-
therä, Euphranor, Lysippos, Zeuxis und Parrhasios,
Bitruvius, Giotto, Ghiberti, Ghirlandajo, Dürer,
Johann Trost und die WiffenMH der froportionslchre.
Vorbemerkung der Nedaction: Da die „Stu-
dien zur Charakteristik bedeutender Künstler
der Gegenwart"/welche wir heute wieder mit einer
Biographie des jüngst verstorbenen Christian Mor-
genstern's bereichert haben, sich ihrer Bestimmung
gemäß nur mit Künstlern von Fach beschäftigen kön-
nen, so glauben wir eine schätzenswerthe Charakteristik
des verstorbenen Prof. Trost, welche uns von dem Freunde und lang-
jährigen Assistenten desselben an der Bibliothek der k. k. Akademie der
Künste in Wien, Hrn. vr. Agathou Kl eint, zur Veröffentlichung
übersandt wurde, am passendsten an dieser Stelle bringen zu können,
um so mehr, als der Verfasser der Biographie die wissenschaftlichen
Leistungen des Verewigten im Gebiete der Proportionslehre in nähere
britische Betrachtung zieht.
Am 8. Februar d. I. ist zu Wien der emeritirte Rath, Pro-
fessor und Bibliotheks-Borstand an der k. k. Akademie der vereinigten
bildenden Künste zu Wien, Johann Trost, nach einem vielseitig
verdienstlichen Leben im 78. Lebensjahre verschieden. Sein Ende
war der Schluß eines im Stillen rastlosen, wissenschaftlichen Wir-
kens, und selten wird die Kunst einem Manne der Wissenschaft so
^iet zu danken haben wie dem Verblichenen; brachte er doch einen
Gegenstand zum Abschlüsse, der Jahrtausende lang die bedeutendsten
Künstler, Kunst- und Naturforscher beschäftigte, nämlich die Lehre
von der Proportion des menschlichen Körpers, welche Leistung viel-
fache Anerkennung und auch in diesen Blättern (Jahrgang 1866,
M. 8, 9, 10 15 und 18) eine ehrenvolle Würdigung erhalten hat.
Johann I. Trost wurde am 16. Mai 1789 zu Aschaffen-
k'nrg in Bayern geboren, woselbst er auch seine Schul- und Univer-
f'tätsstudien, die außer Mathematik und Physik, Philosophie im aus-
öedehnten Sinne des Wortes umfaßten, vollendete, und nach Be-
dingung derselben bereits in seinem 21. Jahre, freilich in jener,
wden bedeutenden Keim sorgsam pflegenden Zeit, und von einem
^anne, den Deutschland zu den besten zählt, dem Fürsten-Primas
b°n Dalberg, eine Professur der Philosophie und eine dreijährige
^"ise auf Staatskosten angctragcn erhielt. Doch er hatte bereits
fkin Wort gegeben, die Erziehung des älteren Sohnes des Grafen
Kuniburg in Mähren zu übernehmen, und, das kennzeichnet durchaus
Charakter, dem er sein ganzes Leben lang treu blieb, und so
bwließ au seinem gegebenen Worte festhaltend, 1810 seine Hei-
sch, um die Erziehung beider Söhne des Grafen zu vollenden.
Jahre 1831 trat er eine wissenschaftliche Reise nach Paris
blieb dort durch eilf Monate und übersetzte Ponillet's „Physik."
j n Jahre 1832 kam er nach Wien und erhielt 1835 eine Pro-
fsfsnr an der k. k. Akademie der Künste und die Leitung der Bib-
wthek dieser Anstalt.
Man hatte damals die Absicht die Akademie zu einer Universal-
üdungs-Anstalt für Künstler zu gestalten, die denselben nicht bloß
Ie Fachbildung gewähren, sondern auch die Gymnasial- und Uni-
bbrsitatsstudien ersetzen sollte. In diesem Sinne trug nun Trost
Kunstgeschichte, Aesthetik, Licht- und Farbenlehre, außerdem anderes
aturwiffenschaftliche und was sonst noch aus dem reichen Schatze
Wwes Wissens zur allgemeinen Bildung der Schüler beitragen konnte,
^bch eine Reihe von Jahren vor. Später, im Jahre 1847 unternahm er
^,v Erweiterung seiner Kenntnisse auf dem Kunstgebiete auf eigene
°fken eine Reise nach Rom und Neapel. Nach seiner wegen Aen-
dernng des Studienplans erfolgten Enthebung von der Lehrkanzel
behielt er bloß die Leitung der akademischen Bibliothek, die sich unter
seiner Amtirung auf das Sechsfache, und der Kupferstichsammlung,
die sich über das Zwölffache vermehrte. Eines der Hauptverdienste
des Verewigten als Bibliothekars war die Erzielung einer außer-
ordentlichen Verwendbarkeit der Bibliothek, und zwar durch die Durch-
führung eines systematischen Blätterkataloges. Wie erschöpfend dieser
geführt wurde, möge aus Folgendem ersehen werden. Es wurde aus
dem Inhaltsverzeichnisse jedes Werkes das einzelne Kapitel, der ein-
zelne Paragraph, oder überhaupt, was ein unterscheidbares Theil-
ganze bildet, mit Angabe des Werkes, Bandes und der Seite auf
besonderes Blatt, und, berührte z. B. ein Paragraph zwei verschiedene
Gegenstände, auf zwei Blätter geschrieben, so auch der Titel jedes
Journalartikels mit seiner genauen Bezeichnung. Auf diese Weise
bilden die Blätter, nach Gegenständen, welche dann als Schlagwörter
dienen, zusammengelegt, für jeden Gegenstand einen eigenen, in sich
alphabetisch nach Autoren geordneten Fascikel, welcher die ganze über
diesen Gegenstand vorhandene Literatur, jeden Journalartikel mit
einrechnet, angiebt. So wurde es möglich, über jede beliebige
Frage augenblicklich die ganze Bibliothek wie ein großes Reallexikon
nachzuschlagen. Zu erwähnen ist hier auch, mit welch' seltener Zu-
vorkommenheit dies im gegebenen Falle von Seite Trost's zu geschehen
pflegte. Die ungeheure akademische Kupferstichsammlung wurde nach
Bartsch bestimmt, zu Uuterrichtszwecken nach Malerschulen gelegt
und katalogisirt, erhielt aber auch einen Paralellkatalog nach den
Kupferstechern, und mit Hilfe dieses können nun, etwa zum Zweck
einer Monographie über einen Kupferstecher, dessen Werke mit ziem-
licher Schnelligkeit aus den verschiedenen Mappen herausgezogen und
selbstständig zusammengelegt, nach gemachtem Gebrauche aber wieder
in die vorige Lage gebracht werden.
Seiner ursprünglichen Vorbildung gemäß blieb Trost auch im
Dienste der Kunst Philosoph und Naturforscher, und widmete, wie
schon Eingangs erwähnt, seine Hauptthätigkeit in dieser Hinsicht
einem Unternehmen, dessen riesige Schwierigkeit und dessen Verdienst
eigentlich nur der Fachmann zu würdigen vermag, nämlich den
Untersuchungen über die Proportion'des menschlichen Körpers, und
der künstlerischen Bildung menschlicher Gestalt, einmal eine wirklich
wissenschaftliche Basis zu geben; nicht auf Grundlage geistreicher
oder willkürlicher Hypothesen, sondern durch Auffindung eines an-
wendbaren, relativen Maaßstabes und durch genaue Messung der
normal gebildeten Natur und der vorzüglichen Antiken. Was zuerst,
freilich unter steter Anschauung der schönen Natur, nur instinktmäßig
aus der Seele des Künstlers als Idealbild erschien, das wurde hier
vom gereiften sondernden Kunstverstande auf rein theoretische Weise
untersucht und in seiner, widerstrebenden relativen Regel als Norm
festgehalten, um, als Korrektiv, wieder in die Hand des aus-
übenden Künstlers zu gelangen. Die Proportionslehre des menschlichen
Körpers, die schon bei den Egyptern durch die Einfügung der sexa-
gesimal getheilten natürlichen Körperlänge, als des sechszigtausendsten
Theiles des mittleren Meridiangrades, in das allgemeine Maaßsystem
auch der Bild- und Bauwerke lange vor Eratosthenes und der Er-
richtung der Pyramiden Gegenstand der Untersuchung gewesen sein
muß. fand zu allen Zeiten, und zwar nicht nur unter den bilden-
den Künstlern, Bearbeiter, so an Polykleitos, Myron aus Eleu-
therä, Euphranor, Lysippos, Zeuxis und Parrhasios,
Bitruvius, Giotto, Ghiberti, Ghirlandajo, Dürer,