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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 12.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.13559#0226

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mern; ja man kann, ohne in's Paradoxe zu fallen, geradezu
behaupten, daß er ein zu großer Künstler war, um einen guten
Akademiedirektor abzugeben. Er hat daher auch keine eigentliche
Schule gebildet, und Alle, die er zu seinen Schülern zählte,
wichen in der Folge nicht nur von seiner Richtung ab, sondern
gingen auch unter sich weit auseinander. So stand er schon
damals, ein moderner Titan, einsam auf der Höhe seiner groß-
artigen, aber farblosen Idealwelt. Daß nichtsdestoweniger das
Kunstleben in Düsseldorf durch seine mächtige Anregung einen
großen Aufschwung erhielt, bedarf keiner besondern Erklärung,
allein diese Anregung blieb immerhin innerhalb bestimmter Gren-
zen. Es war eben nur die monumentale Kunst, welche, mit
Ausschließung aller anderen Gebiete, wie der Landschaft, des
Genres u. s. f., eine mächtige Förderung und Ausbildung er-
hielt; also der Idealismus im Gegensatz zum Realismus. Dem-
gemäß wurden denn im Winter die großen Cartons für die
Glyptothek gezeichnet, im Sommer aber wanderte Cornelius mit
seinen Schülern nach München, um nach jenen Cartons die
Gemälde auszuführen.

Cornelius mochte wohl selbst fühlen, daß hierdurch das
naturgemäße Verhältniß zwischen Lehrer und Schülern eigent-
lich umgekehrt würde, indem er, statt die Eigenthümlichkeit jedes
Einzelnen auszubilden, sie vielmehr nöthigte, in Stoff und Ge-
staltung nur seiner Anschauungsweise zu folgen, wodurch er sie
mehr zu seinen Arbeitern als zu selbstständigen Künstlern heran-
bildete. Als ihm daher nach wenigen Jahren der inzwischen
zur Regierung gelangte König Ludwig das Anerbieten machte,
das Direktorat der Münchener Akademie zu übernehmen, so zö-
gerte er keinen Augenblick, Düsseldorf mit München zu ver-
tauschen.

Hier war seine Stellung eine wesentlich andere; denn
obgleich dem Titel nach Direktor der Akademie, hatte er sich
doch um die akademische Lehrdisciplin wenig zu kümmern, wäh-
rend er zugleich den Mittelpunkt des künstlerischen Strebens
und Lebens der münchener Schule bildete. In der That er-
öfsnete sich ihm hier ein Wirkungskreis, wie er wohl nie einem
andern deutschen Künstler — mit Ausnahme etwa von Kaul-
bach — geboten worden ist. Die vier Jahre seines düsseldorfer
Direktorats mit eingerechnet, arbeitete er zehn Jahre an der
Ausführung der Fresken in der Glyptothek, worin die Vorhalle
nebst zwei daran stoßenden Sälen ausdrücklich zu diesem Zweck
eingerichtet worden waren. Gemäß der Bestimmung des Ge-
bäudes, welches die Denkmäler der antiken Plastik aufnehmen
sollte, entnahm Cornelius die Motive zu seinen Gemälden der
hellenischen Mythe und Heroensage, und kam hiermit zugleich
einem Wunsche des Königs entgegen, den er schon als Kron-
prinz in Italien gegen Cornelius geäußert, nämlich einen großen
Cyklus aus der „griechischen Götterlehre" und aus der „Ilias"
von ihm ausgeführt zu haben. Mit großer Begeisterung ging
Cornelius darauf ein. Schon in den ersten Entwürfen entfaltete
sich sein Genius in einer mächtigen und originalen Weise, am
höchsten erhob er sich in seinen Kompositionen zur Jliade. Er
gestaltete seinen episch-tragischen Stoff in großen und energi-
schen Zügen und wußte ihn innerhalb des strengen antiken
Sthls mit einem heroischen Pathos zu beleben, das seinen In-
halt über die antike Anschauungsweise hinaus zu einer höheren,

geistig vertieften Idealwelt emporhob.. Seine Cartons zu den
Gemälden machten den Eindruck, als hätte eine Riesenhand
sie als riesige Illustrationen gezeichnet.

In die sehr gedankentiefen und meisterhaft disponirten Ein-
zelkompositionen kann ich hier nicht näher eingehen, ich erwähne
daher nur ganz im Allgemeinen, daß er den einen Saal für
die Darstellungen der „griechischen Mythe," den zweiten für die
„Scenen aus der Ilias" bestimmte, während in der die beiden
Säle verbindenden kleinen Vorhalle die „Prometheussage" behan-
delt wurde. Die Gemälde des „Göttersaals" schildern die drei
Reiche der hellenischen Mythe, den „Olymp" oder das Reich
des Jupiter, das „Wasserreich" (Neptun) und die „Unterwelt"
(Pluto mit den Todtenrichtern), sämmtliche Hauptdarstellungen
umgeben von allegorischen Lünetten und Bogenbildern, welche
sich auf die Wirksamkeit der in den Göttern symbolisirten Na-
turkräfte beziehen. Es sind im Ganzen siebenundzwanzig Bilder,
zu denen noch einige Reliefs von Schwanthaler hinzukommen.

Als König Ludwig zum ersten Mal die fast vollendeten
Gemälde in Augenschein nahm, war er von ihrer Großartigkeit
und Schönheit so begeistert, daß er den Meister aus der Mitte
seiner Gehülfen vom Gerüst herunterholen ließ, um seine Brust
mit dem Kreuz des Civilverdienstordens zu schmücken. „Ich
glaubte," sprach dabei der König, „Ihnen, lieber Cornelius,
gerade hier, auf dem Schauplatz Ihrer ruhmreichen Thätigkeit,
diese Anerkennung gewähren zu müssen. Pflegte man ja doch
Helden auf dem Schauplatz ihrer Thaten zu Rittern zu schlagen.
Und so thue ich mit Ihnen." Cornelius war damit in den
Adelstand erhoben.

Nach der Vollendung des „Göttersaals" ging Cornelius
sofort an die Malereien des „Heroensaals", welche den „Troja-
nischen Krieg" behandeln sollten. In ihnen offenbart sich nun
ein noch ernsterer Schwung der Phantasie und eine wahrhaft
klassische Gestaltungskraft. Es sind im Ganzen vierundzwanzig
Bilder, darunter die Hauptdarstellung „Die Hochzeit des Peleus
mit der Thetis" als Rundbild in der Mitte des Kreuzgewölbes,
sodann die Wandfresken „Versammlung der Hellenen" und
„Zorn des Achill", „Kampf um den Leichnam des Patroklus"
und „Zerstörung von Troja".

Man kann sich des Staunens nicht enthalten, wenn man
erwägt, mit welcher Freiheit des Geistes und welcher Leichtigkeit
des Gestaltens sich der Romantiker Cornelius in die klassische
Idealwelt zu vertiefen, ihr innerstes eigenstes Wesen nach In-
halt und Form zu erfassen und in selbstschöpferischer Weise mit
seiner mächtigen Phantasie daraus die herrlichen Gestalten her-
vorgehen zu lassen verstand, die uns durch ihre plastische Hoheit
und heroische Größe bei aller Objektivität des antiken Empfindens
gleichsam als die lebendig gewordenen Gesänge des blinden
Sängers gemahnen. Welche Gewalt der Leidenschaft in dem
Zorn des Achill, und doch wieder welch' erhabene Ruhe in diesem
Sturm! Man blicke auf die grandiose Komposition des „Unter-
gangs von Troja" und betrachte die mächtige Figur der in sich
zusammengekauerten „Hekuba", in deren von Gram zerrissenen
Zügen sich der ganze tragische Schmerz einer vom Boden ver-
tilgten Nation wiederspiegelt, man schaue aus die in der Mitte
sich erhebende großartige Gestalt der Seherin Kassandra, welche
über Menelaos und sein Geschlecht den Fluch der ewigen Götter
 
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