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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 12.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.13559#0234

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eine Reise nach England an. Ueberall, wo er einen kurzen
Aufenthalt nahm, in Düsseldorf, Köln, Brüssel, wurde er auf's
Glänzendste gefeiert. In London aber hatte er nicht nur den
Schmerz, seinen Freund Monson sterben zu sehen, sondern auch
das Unglück, von einer gefährlichen Augenkrankheit befallen zu
werden, die ihn auf längere Zeit von jeder Thätigkeit abhielt.
Gleich beim Beginn der Krankheit war er nach Berlin zurück-
geeilt. Im Sommer 1842 trat endlich Besserung ein. Das
erste Werk, welches ans seiner Hand hervorging, war der be-
rühmte „Glaubensschilv", welchen er auf Bestellung des Königs
für den Prinzen von Wales, dessen Taufzeuge dieser gewesen,
als Pathengeschenk komponirte. In sechs Wochen war die Kom-
position vollendet, aber erst nach fünf Jahren war der pracht-
volle Schild, der aus Gold, Silber und Edelsteinen bestand,
fertig und ging nach London ab. Ein zweites, ganz gleiches
Exemplar wurde für den König angefertigt, doch — aus un-
bekannten Gründen — vor seiner völligen Vollendung in das
Antiquarium des Museums versetzt, wo es sich unter Verschluß
befindet. Welchem Einfluß diese eigenthümliche Maaßregel zu
danken, ist den mit den damaligen Verhältnissen Vertrauten
wohl kaum zweifelhaft; es ist derselbe Einfluß, welcher es ver-
anlaßt hat, daß die sämmtlichen von der preußischen Regierung
erworbenen Cartons zu den Malereien der Casa Bartholdy, der
Glyptothek re., für deren Ueberlassnng bekanntlich Cornelius
das ihm zugehörige Haus neben dem Raczynski'schen Palais er-
hielt, zusammengerollt und, möglicherweise dem Verderben von
Staub und Feuchtigkeit ausgesetzt, auf den Bödenräumen des
Museums lagern.

Ich übergehe die Ausstellung des vom Grafen Raczynski
schon im Jahre 1840 bestellten, im Herbst 1843 vollendeten
Oelgemäldes „Christus in der Unterwelt" — eine Ausstellung,
welche die Jsolirung des Künstlers aus den höheren Kreisen bis
in die niederen herabzog und die gesammte Kritik, Kügler an
der Spitze, in Aufruhr brachte — um über das letzte große
Werk des Meisters noch einige Worte zu sagen. Friedrich Wil-
helm der Vierte hatte den schon von seinem Vater beabsichtigten
Plan, in seiner Residenz an Stelle der alten ziemlich verfalle-
nen Domkirche eine großartige, mit einer Friedhofshalle ver-
bundene protestantische Kathedrale zu errichten, auszuführen be-
schlossen. Die nach Art des Camposanto in Pisa projektirte
Friedhofshalle, welche zur Aufnahme der Königsgräber bestimmt
war, sollte mit großartigen Wandgemälden im Innern geschmückt
werden. Auf welche Dimensionen das Ganze angelegt war,
kann man daraus ermessen, daß die Friedhofshalle einen Hof
von einhundert und achtzig Fuß im Quadrat umschloß, und daß
diese vier Wände eine Malfläche von im Ganzen zweimalhundert
und fünfzigtausend Quadratfuß darboten. Ich habe bereits be-
merkt, daß Cornelius den Antrag, die malerische Ausschmückung
des Camposanto, sowie die Ausführung des großen Altargemäl-
des im Dom, dessen Apsis von neunzig Fuß Höhe es ausfüllen
sollte, angenommen hatte. Im Herbst des Jahres 1843 trat
er seine Reise nach Rom an, um dort in völliger Zurückgezogen-
heit, aber umgeben von den großen Schöpfungen eines Raphael
und Michelangelo, seinen Gesammtentwurf zu komponiren und
die ersten Cartons zu zeichnen. Gemäß der Bestimmung des
Bauwerks, dessen Wände seine Malereien schmücken sollten.

wählte er das Thema des Todes. Aber er faßte den Tod nicht,
wie er in den alten mittelalterlichen „Todtentänzen" erscheint,
als den Zerstörer des irdischen Lebens, welchem Alle, arm und
reich, vornehm und gering, zuletzt zur Beute werden, sondern
tiefer als den Tod im christlichen Sinne, der durch die Erlö-
sung überwunden wird, als die Befreiung der Seele von den
Banden der Sünde und des Jrrthums. Diese allgemeine Idee,
welche, von jeder konfessionellen und traditionellen Beschränkt-
heit frei, rein aus dem tiefen Born der christlichen Wahrheit
geschöpft ist, knüpft sich also unmittelbar an die Vorstellungen
von der Erlösung und vom Weltgericht an. Nach den vier Wänden
gliederte Cornelius nun diese Grundidee vierfach, indem er in den
Kompositionen der einen Wand, „Die Erscheinung Christi als des Er-
lösers auf Erden", in denen der zweiten (gegenüberliegenden), „Die
Errichtung des neuen Bundes", in denen der dritten (südlichen),
„Die Gründung der christlichen Kirche" und in denen der letzten
(nördlichen), „Das Ende der Welt" behandelte. In Betreff
der zu einem vollendeten Organismus durchgearbeiteten, doch
sehr komplicirten weiteren Gliederung will ich nur Dies bemer-
ken, daß Cornelius jede der vier Wände in durchaus architek-
tonischer Weise durch Pilaster, Ornamentstreifen und statuarische
Nischen — natürlich sämmtlich gemalt — in besondere Felder
zerlegte, welche die Hauptbilder nebst deren Predellen und Lü-
netten aufnehmen sollten. Die Predellen waren für Malereien
in Gran bestimmt, die Hauptbilder sollten in Farben und die
Lünetten auf Goldgrund ausgeführt werden; die statuarischen Grup-
pen, in der Zahl acht, nach den acht Seligkeiten, welche sie dar-
stellen sollten, waren ebenfalls für Malerei von Grau in Grau

berechnet. Die Höhe der Wände beträgt sechsunddreißig Fuß,
die Gesammtlänge aller vier siebenhundert und zwanzig Fuß.
Hiernach kann man den gewaltigen Umfang dieses Projektes
ermessen. Die Cartons, welche Cornelius vom Jahre 1845
bis zu seinem Tode zeichnete, gehören fast alle der vierten Wand
an; es sind dies „Die vier apokalyptischen Reiter, „Der Sturz
Babels", „Die Ankunft des neuen Jerusalem" nebst den dazu
gehörigen Predellen und Lünetten, sowie den sie trennenden
Nischengruppen. Außerdem hat er noch die Cartons zu den
Mittelbildern der östlichen und südlichen Wand, „Christus nach
der Auferstehung giebt sich den Jüngern zu erkennen" und „Die
Ausgießung des heiligen Geistes" gezeichnet; endlich ist auch
noch die große Aquarelle zu erwähnen, welche den Entwurf zu
dem kolossalen Altarbilde des Doms, „Die Erwartung des Welt-
Gerichts", darstellt.

Dies sind jedoch nur die Hauptwerke. Denn außer einer
Menge Einzelkompositionen, wie z. B. „Lady Macbeth schlaf-
wandelnd", sowie verschiedenen Entwürfen für Denkmünzen und
Titeln, z. B. zum Humboldt'schen „Cosmos" u. s. f., arbeitete
er auch gleichzeitig mit den Camposanto-Cartons an seinem
Nibelungen -Cyklus weiter und führte sogar ein Bild daraus,
„Hagen versenkt den Nibelungenschatz", in Oelfarben für die
Wagner'sche Gemäldegallerie (jetzt Nationalgallerie) aus. Es
wäre ein vergebliches Beginnen, wenn ich in der mir noch zu-
gemessenen Zeit Ihnen durch näheres Eingehen in den Inhalt
dieser gewaltigen Schöpfungen eine Vorstellung von ihrer Be-
deutung zu geben versuchen wollte. Die darin ausgesprochenen
Ideen besitzen neben ihrem ungeheuren Umfang der Gestaltung
 
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