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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 12.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.13559#0242

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226

Wir standen vor dem „Sturz Babels", jener gewaltigen
Schöpfung des Meisters, der größten vielleicht nächst den „Apo-
kalyptischen Reitern". Ich hatte ihm meine Karte hinaufge-
schickt, hielt es jedoch für Passend, ihm mich persönlich vor-
zustellen.

„Also. Sie sind Herausgeber einer Kunstzeitung, d. h.
Kritiker", bemerkte er nach einiger Zeit. „Eine vortreffliche
Sache die Kritik, wenn sie richtig gehandhabt wird. Aber das
ist heutzutage selten. Das Geschlecht der Winckelmann's und
Lessing's scheint ausgestorben, selbst hier in dem kritischen Ber-
lin." — Er schien eine Entgegnung zu erwarten und fragte
dann, als ich schwieg, mit einer gewissen Schärfe, indem er
auf den Carton wies: „Nun, sagen Sie mir einmal Ihre
Meinung darüber; geniren Sie sich nicht, ich habe gelernt, den
Tadel zu ertragen und das Lob zu verachten."

Ich gestehe, daß ich mich einigermaaßen in Verlegenheit
befand, eine Frage dieser Art so kurzweg zu beantworten, und
machte daher nur eine Bemerkung über seine letzte Aeußerung,
nämlich daß es bei einer Kritik meiner Ansicht nach nicht sowohl
um Loben oder Tadeln sich handele, als um eine objektive Cha-
rakteristik.

„Das läßt sich hören," meinte Cornelius mit größerer
Freundlichkeit im Ton, „ich freue mich, daß Sie die Kritik so
ernst auffassen."

„Ich fasse sie als eine Wissenschaft auf, und die Wissen-
schaft ist ernst," äußerte ich.

„Richtig," fiel er mit einer gewissen Ironie ein, „die
Wissenschaft ist ernst, das Leben auch, blos die Kunst soll ja
heiter sein. — Aber ich sage Ihnen," fuhr er plötzlich mit
starker Stimme fort, „die Kunst ist das Allerernsteste von den
Dreien; freilich nicht, wie sie heutzutage getrieben wird, als
ein Kultus der Materie, sondern wie sie von den alten großen
Meistern und, Gott sei Dank, auch noch von einigen tüchtigen
Kerlen heutiger Zeit getrieben wird.... Doch, kommen Sie
mit herauf; hier ist's kalt, ich kann Rom immer noch nicht
vergessen und den warmen italienischen Himmel, mich friert's
hier in Berlin". . . .

Dies war mein erstes, unvergeßliches Zusammentreffen mit
Cornelius. Der Eindruck, den er damals auf mich machte, war
um so tiefer, als mir der Grund davon erst später, nachdem

ich oft bei ihm gewesen und Manches mit ihm gesprochen, ganz
klar wurde: es war die kindliche Einfachheit, die wahrhaft mensch-
liche Natürlichkeit seines persönlichen Wesens, in Verbindung
mit dem tiefen männlichen Ernst seines Charakters und der
zwar von allem Fanatismus freien, aber doch leidenschaftlichen
Wärme seiner Ueberzeugung. Er war ein ganzer Mann, milde
in der Form, nachsichtig gegen Andersdenkende, aber strenge,
wenn auch zurückhaltend, in seiner Verdammung alles Schein-
wesens und unerbittlich gegen Das, was er die „Sünde gegen
den heiligen Geist der Kunst" zu nennen pflegte. In seiner
Häuslichkeit lebte Cornelius sehr zurückgezogen, doch liebte er
es, Sonntags einen kleinen Kreis von Freunden an seinem
Mittagstische zu sehen. Außer seinem Schwager, dem Geheime-
Rath Brüggemann, und dessen Frau (Cornelius' Schwester),
welche der jungen Gattin des Meisters, die damals noch wenig
Deutsch sprach, mütterlich zur Seite stand, war es besonders
der langjährige Freund von Cornelius, der Professor Teller,
den ich, wenn mir die Ehre einer Einladung zu Theil wurde,
dort gewöhnlich antraf. Hier, bei einem guten Glase Wein,
entwickelte der sonst so ernste Künstler in seinen Gesprächen
eine ruhige Heiterkeit und, besonders in seinen Erzählungen
aus früherer Zeit, eine drastische und oft humoristisch gefärbte
Lebhaftigkeit, welche ebenso rührend wie anziehend war und
jeden Zwang verbannte.

Er regte nicht nur seine Gäste zu heiteren Mittheilungen
an, sondern ging ihnen auch oft mit gutem Beispiel voran.
Dabei besaß er ein ganz eigenthümliches Talent der Darstel-
lung. Ohne seine gewöhnliche ruhige und bestimmte Weise des

Sprechens zu ändern, nur mit Beimischung einer gewissen treu-
herzigen Jovialität im Ton, erzählte er zuweilen kleine humo-
ristische Scenen aus seinem Leben, die ungemein erheiternd
waren. So erinnere ich mich einer Mittheilung aus seinem
früheren römischen Aufenthalt, worin er schilderte, wie einer
der Gebrüder Riepenhausen einmal in der Campagna von einem
der dort ziemlich wild umherschweifenden Stiere verfolgt worden
war. Dergleichen brachte er mit einem gewissen trocknen Humor
vor, welcher wahrhaft drastisch wirkte, und bewies dadurch, daß
er, weit davon entfernt, ein asketischer Grübler zu sein, und
trotzdem daß sein großer Geist sich mit den erhabensten Ideen
trug, auch wie andere Menschen heiter und unbefangen fühlte.
(Schluß folgt.)


Korrespondenzen.

ien, Anfang Juli. (Verschiedenes aus dem hie-
sigen Kunstleben; die Konkurrenzpläne zum
Museumsbau. Schluß.) Da das officielle Pro-
> gramm einmal mit jenem von mir angedeuteten Wi-
derspruch der inhaltlichen und lokalen Disposition be-
haftet war, so konnten die konkurrirenden Architekten
die Alternative nicht umgehen, in den betreffenden Plänen ent-
weder jenem Widerspruch einen praktischen Ausdruck zu geben, wenn
an dem Programm strikte festgehalten wurde, oder aber von dem letz-
teren abzuweichen. Das Erstere ist von Löhr und Hasen au er,
das Letztere von Ferstel und Hansen geschehen. So sehr nun jene
ersten Architekten in ihrer Nachachtung des Programms gerechtfertigt er-
scheinen, so muß doch vom Standpunkt künstlerischer Selbstständigkeit

den letztgenannten Baumeistern zugestimmt werden, wenn sie, auf die
Gefahr hin einer völligen Ausschließung von der Konkurrenz, auf Grund
der willkürlichen Abweichung vom Programm, sich über die wider-
spruchsvollen Forderungen deffelben hinwegsetzend, selbstständige, auf
die Natur der Aufgabe sich gründende Pläne aufstellten.

Von den beiden programmgemäßen Entwürfen gebührt ohne
Zweifel dem Löhr'schen der Vorzug. In der Abwägung zwischen
den Forderungen architektonischer Schönheit und praktischer Zweck-
mäßigkeit hat sich Löhr für die umfassendere Berücksichtigung der letz-
teren entschieden. Der äußere Eindruck des in einem aus antiken und
Renaiffance-Motiven gemischten Styl gedachten Gebäudes kann zwar
den dem Eklekticismus stets anhaftende Mangel an Charakter und
monumentaler Größe nicht verbergen, ja, er entschädigt für diesen
 
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