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Bellevue- und Lennöstraße bildet und mit seiner reichen Architek-
tur, seinem kunstvoll angelegten Garten, seinem ebenso meisterhaft
wie kostbar ausgeführten schmiedeeisernen Gitterwerk einen überaus
großartigen und prächtigen Anblick gewährt. An dieses reihen
sich einige andere nicht minder elegante Häuser, unter denen
die noch im Bau begriffene Villa Meherbeer, ein Werk des
Baumeisters von der Hude, schon eine gewisse Ausartung der
Stylformen bekundet. Es zeigt sich dies nicht nur in der ge-
suchten Art der Verwendung von Renaissanceformen für die
Fayade, deren scheinbare Schwere und Gediegenheit einen
eigenthümlichen Widerspruch zu der Qualität des für die Orna-
mentation verwandten Materials bilden, sondern auch in der
anspruchsvollen Ausführung des Treppenhauses, dessen prunkvolle
Ausstattung und räumliche Ausdehnung in keinem Verhältniß
zu der Größe der Jnnenräume stehen. Wenn man diesen
blos äußerlichen und in ästhetischem Sinne zweckwidrigen Prunk
und die enormen Kosten, welche dafür verausgabt sind, berück-
sichtigt und damit in Vergleich zieht, daß trotz massiven Mar-
mors und echter Vergoldung doch für das Meiste und künstlerisch
Werthvollste wie gewöhnlich der Stukkateur und Anstreicher in
Thätigkeit gesetzt worden ist, so kann man nur bedauern, daß
nicht ein reinerer Geschmack dabei gewaltet und dahin gewirkt
habe, eine edle, aber echte Einfachheit statt des prunkenden
Scheins zur Geltung zu bringen. Wo die Mittel so über-
reichlich flössen wie in diesem Falle, durfte man nicht zur Schein-
ornamentik seine Zuflucht nehmen, sondern lieber etwas weniger
prunkend und dabei mit größerer künstlerischer Wahrheit ver-
fahren. —
Daß diese, übrigens nur uneigentlich so genannte „Villa",
da sie mit den Nebenhäusern zu beiden Seiten Brandmauer an
Brandmauer zusammenstößt, also durchaus den Charakter eines
städtischen Wohnhauses zeigt, etwas näher charakterisirt wurde,
geschah deshalb, weil sie als Specimen für die meisten heutigen
Tages ausgeführten Prachthäuser gelten kann, bei denen mit
wenigen Ausnahmen statt der Verbindung materieller Gediegen-
heit mit künstlerischer Einfachheit leider vielfach ein die Augen
blendender Prunk mit mancherlei scheinhaftem Wesen der orna-
mentalen Durchführung den Grundzug bildet. Diese glänzende
Unwahrheit in unsrer heutigen „Pracht-Architektur" ist eine
krankhafte Ueberreizung des Geschmacks, welche überwunden wer-
den muß, ehe wir zu der edlen Einfachheit des wirklich künstle-
rischen Styls gelangen können, welcher jede Schein-Architektur
und alles prunkhaft anspruchsvolle Wesen ausschließt. Eine
derartige Bauweise hat viel Aehnlichkeit mit der flunkernden
Theaterkostümirung gewisser Zauberballets, bei welcher die Stelle
echter Steine und wirklichen Goldgeschmeides böhmische Glas-
pasten und allerlei Flitterkram versehen müssen. Allein man
sollte bedenken, daß die Werke der Architektur nicht auf eine
nach Stunden zu bemessende vorübergehende Wirkung berechnet
sind und das Helle Tageslicht vertragen müssen. —• Indessen
giebt es doch, wie schon bemerkt, rühmliche Ausnahmen, und
wenn nicht alle Zeichen trügen, haben wir bereits das äußerste
Extrem dieser hohlen Prunk-Architektur erreicht und sind im
Begriff, in den richtigen und über allen Zeitgeschmack hin-
aus gültigen Weg der echten Wahrheit und einfachen Schön-
heit einzulenken.
4. Die charakteristischen Unterschiede der Villa von der Miethskascrne.
Der Ausdruck „Billenstyl" hat strenggenommen, wenn
man unter „Styl" ein bestimmtes architektonisches Formenge-
staltungsprincip versteht, keinen Sinn; noch weniger natürlich
der des „Miethskasernenstyls". Denn wenn irgend wo die Prin-
cip- und Sthllosigkeit herrscht, so ist es in dem letzteren. Es
scheint deshalb nicht überflüssig, näher anzudeuten, was eigentlich
unter „Villa" im Gegensatz zur Micthskaserne zu verstehen sei.
Die charakteristischen Unterschiede der „Villa" von der „Micths-
Kaserne" beruhen hauptsächlich auf drei wichtigen Momenten:
1) auf der Zahl der Stockwerke; 2) auf der Selbst-
ständigkeit der Bauanlage; 3) auf der landschaft-
lichen Umgebung.
1. Was die Zahl der Stockwerke betrifft, so geht
die Villa nicht wohl über hohes Parterre und Belle-Etage hin-
aus. Da sie ihrer Bestimmung nach auch in ihrer architekto-
nischen Anlage den Eindruck machen muß, daß sie nur einem
Besitzer gehört, nur einer Familie zur Behausung dient, so
folgt, daß, wenn sie, statt aus nur einer Etage (hohes Parterre),
aus zweien besteht, eins von beiden — sei es das Parterre,
sei es die Belle-Etage — als Hauptetage in entschiedener Weise
zur Geltung zu kommen habe. Dies unterscheidet sie schon wesent-
lich von dem Miethshause, welches vielleicht auch nur aus zwei
Etagen besteht, die aber dann gewöhnlich gleich hoch oder doch
in der Größe wenig unterschieden sind.
2. Die Selbstständigkeit der Bauanlage doku-
mentirt sich zunächst darin, daß die Villa nicht wie die Mieths-
kaserne zwei leere Brandmauern hat, mit denen diese sich an
die Nebenhäuser anlehnt, womit sie die Straßenwand bildet,
sondern daß sie mindestens außer der Hauptfayade eine Seiten-
front hat, die, wie die Straßen- und hintexe Gartenfront, mit
Garten-Anlagen umgeben ist. Stößt sie, was bei städtischen
Villenanlagen oft, um den Gärten größere Ausdehnung zu geben,
nothwendig ist, mit einer Seite an eine andere Villa, so ist
wenigstens dahin zu streben, daß beide von derselben Höhe sind,
damit die eine Brandmauer nicht über die andere emporrage,
und daß womöglich eine architektonische Einheit in dem Gesammt-
eindruck erzielt werde. Eine Abweichung vom eigentlichen Villen-
charakter bleibt zwar diese Verbindung zweier symmetrisch mit
einander zu einem Gesammtbau verbundenen Villen immer; in-
dessen hat dieselbe bei städtischen Villenanlagen größeren Umfangs
den großen Vortheil, daß, wenn z. B. von 4 in einer Flucht
liegenden Billen je 2 zusammen ein architektonisches Ganzes
bilden, die dazwischen liegenden Gartenanlagen einen zusammen-
hängenden dreifach so großen Raum bilden, als wenn die sämmt-
lichen Villen in gleichen Entfernungen von einander errichtet
wären, weil letzteren Falls statt eines großen Zwischengartens
3 kleine entständen. Außerdem bringt, namentlich bei kleineren
Villen, die Anbringung von 4 Fahnden in Bezug auf praktische
Raumbenutzung mancherlei Uebelstände mit sich, auf die hier nicht
näher eingegangen werden kann. Diese durch die drei Fronten und
die darin begründete freie Lage der Billa bedingte Selbstständig-
keit der Bauanlage erfordert nun aber weiterhin eine von dem
in der Straßenflucht Giebel an Giebel liegenden Miethshause
gänzlich verschiedene lokale Dispositionen, nicht nur des Inneren,
sondern auch des Aeußeren. (Schluß folgt.)
Bellevue- und Lennöstraße bildet und mit seiner reichen Architek-
tur, seinem kunstvoll angelegten Garten, seinem ebenso meisterhaft
wie kostbar ausgeführten schmiedeeisernen Gitterwerk einen überaus
großartigen und prächtigen Anblick gewährt. An dieses reihen
sich einige andere nicht minder elegante Häuser, unter denen
die noch im Bau begriffene Villa Meherbeer, ein Werk des
Baumeisters von der Hude, schon eine gewisse Ausartung der
Stylformen bekundet. Es zeigt sich dies nicht nur in der ge-
suchten Art der Verwendung von Renaissanceformen für die
Fayade, deren scheinbare Schwere und Gediegenheit einen
eigenthümlichen Widerspruch zu der Qualität des für die Orna-
mentation verwandten Materials bilden, sondern auch in der
anspruchsvollen Ausführung des Treppenhauses, dessen prunkvolle
Ausstattung und räumliche Ausdehnung in keinem Verhältniß
zu der Größe der Jnnenräume stehen. Wenn man diesen
blos äußerlichen und in ästhetischem Sinne zweckwidrigen Prunk
und die enormen Kosten, welche dafür verausgabt sind, berück-
sichtigt und damit in Vergleich zieht, daß trotz massiven Mar-
mors und echter Vergoldung doch für das Meiste und künstlerisch
Werthvollste wie gewöhnlich der Stukkateur und Anstreicher in
Thätigkeit gesetzt worden ist, so kann man nur bedauern, daß
nicht ein reinerer Geschmack dabei gewaltet und dahin gewirkt
habe, eine edle, aber echte Einfachheit statt des prunkenden
Scheins zur Geltung zu bringen. Wo die Mittel so über-
reichlich flössen wie in diesem Falle, durfte man nicht zur Schein-
ornamentik seine Zuflucht nehmen, sondern lieber etwas weniger
prunkend und dabei mit größerer künstlerischer Wahrheit ver-
fahren. —
Daß diese, übrigens nur uneigentlich so genannte „Villa",
da sie mit den Nebenhäusern zu beiden Seiten Brandmauer an
Brandmauer zusammenstößt, also durchaus den Charakter eines
städtischen Wohnhauses zeigt, etwas näher charakterisirt wurde,
geschah deshalb, weil sie als Specimen für die meisten heutigen
Tages ausgeführten Prachthäuser gelten kann, bei denen mit
wenigen Ausnahmen statt der Verbindung materieller Gediegen-
heit mit künstlerischer Einfachheit leider vielfach ein die Augen
blendender Prunk mit mancherlei scheinhaftem Wesen der orna-
mentalen Durchführung den Grundzug bildet. Diese glänzende
Unwahrheit in unsrer heutigen „Pracht-Architektur" ist eine
krankhafte Ueberreizung des Geschmacks, welche überwunden wer-
den muß, ehe wir zu der edlen Einfachheit des wirklich künstle-
rischen Styls gelangen können, welcher jede Schein-Architektur
und alles prunkhaft anspruchsvolle Wesen ausschließt. Eine
derartige Bauweise hat viel Aehnlichkeit mit der flunkernden
Theaterkostümirung gewisser Zauberballets, bei welcher die Stelle
echter Steine und wirklichen Goldgeschmeides böhmische Glas-
pasten und allerlei Flitterkram versehen müssen. Allein man
sollte bedenken, daß die Werke der Architektur nicht auf eine
nach Stunden zu bemessende vorübergehende Wirkung berechnet
sind und das Helle Tageslicht vertragen müssen. —• Indessen
giebt es doch, wie schon bemerkt, rühmliche Ausnahmen, und
wenn nicht alle Zeichen trügen, haben wir bereits das äußerste
Extrem dieser hohlen Prunk-Architektur erreicht und sind im
Begriff, in den richtigen und über allen Zeitgeschmack hin-
aus gültigen Weg der echten Wahrheit und einfachen Schön-
heit einzulenken.
4. Die charakteristischen Unterschiede der Villa von der Miethskascrne.
Der Ausdruck „Billenstyl" hat strenggenommen, wenn
man unter „Styl" ein bestimmtes architektonisches Formenge-
staltungsprincip versteht, keinen Sinn; noch weniger natürlich
der des „Miethskasernenstyls". Denn wenn irgend wo die Prin-
cip- und Sthllosigkeit herrscht, so ist es in dem letzteren. Es
scheint deshalb nicht überflüssig, näher anzudeuten, was eigentlich
unter „Villa" im Gegensatz zur Micthskaserne zu verstehen sei.
Die charakteristischen Unterschiede der „Villa" von der „Micths-
Kaserne" beruhen hauptsächlich auf drei wichtigen Momenten:
1) auf der Zahl der Stockwerke; 2) auf der Selbst-
ständigkeit der Bauanlage; 3) auf der landschaft-
lichen Umgebung.
1. Was die Zahl der Stockwerke betrifft, so geht
die Villa nicht wohl über hohes Parterre und Belle-Etage hin-
aus. Da sie ihrer Bestimmung nach auch in ihrer architekto-
nischen Anlage den Eindruck machen muß, daß sie nur einem
Besitzer gehört, nur einer Familie zur Behausung dient, so
folgt, daß, wenn sie, statt aus nur einer Etage (hohes Parterre),
aus zweien besteht, eins von beiden — sei es das Parterre,
sei es die Belle-Etage — als Hauptetage in entschiedener Weise
zur Geltung zu kommen habe. Dies unterscheidet sie schon wesent-
lich von dem Miethshause, welches vielleicht auch nur aus zwei
Etagen besteht, die aber dann gewöhnlich gleich hoch oder doch
in der Größe wenig unterschieden sind.
2. Die Selbstständigkeit der Bauanlage doku-
mentirt sich zunächst darin, daß die Villa nicht wie die Mieths-
kaserne zwei leere Brandmauern hat, mit denen diese sich an
die Nebenhäuser anlehnt, womit sie die Straßenwand bildet,
sondern daß sie mindestens außer der Hauptfayade eine Seiten-
front hat, die, wie die Straßen- und hintexe Gartenfront, mit
Garten-Anlagen umgeben ist. Stößt sie, was bei städtischen
Villenanlagen oft, um den Gärten größere Ausdehnung zu geben,
nothwendig ist, mit einer Seite an eine andere Villa, so ist
wenigstens dahin zu streben, daß beide von derselben Höhe sind,
damit die eine Brandmauer nicht über die andere emporrage,
und daß womöglich eine architektonische Einheit in dem Gesammt-
eindruck erzielt werde. Eine Abweichung vom eigentlichen Villen-
charakter bleibt zwar diese Verbindung zweier symmetrisch mit
einander zu einem Gesammtbau verbundenen Villen immer; in-
dessen hat dieselbe bei städtischen Villenanlagen größeren Umfangs
den großen Vortheil, daß, wenn z. B. von 4 in einer Flucht
liegenden Billen je 2 zusammen ein architektonisches Ganzes
bilden, die dazwischen liegenden Gartenanlagen einen zusammen-
hängenden dreifach so großen Raum bilden, als wenn die sämmt-
lichen Villen in gleichen Entfernungen von einander errichtet
wären, weil letzteren Falls statt eines großen Zwischengartens
3 kleine entständen. Außerdem bringt, namentlich bei kleineren
Villen, die Anbringung von 4 Fahnden in Bezug auf praktische
Raumbenutzung mancherlei Uebelstände mit sich, auf die hier nicht
näher eingegangen werden kann. Diese durch die drei Fronten und
die darin begründete freie Lage der Billa bedingte Selbstständig-
keit der Bauanlage erfordert nun aber weiterhin eine von dem
in der Straßenflucht Giebel an Giebel liegenden Miethshause
gänzlich verschiedene lokale Dispositionen, nicht nur des Inneren,
sondern auch des Aeußeren. (Schluß folgt.)