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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 51.1922-1923

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Kunstform und Ingenieurform
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https://doi.org/10.11588/diglit.9144#0303

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MAX KRÜGER—BERLIN. »WANDLEUCHTERc FÜR VORPLÄTZE UND HALLEN.

KUNSTFORM UND INGENIEURFORM.

Schon Pascal hat bemerkt, daß man, wie man
von einer „dichterischen Schönheit" spricht,
ebensogut von einer geometrischen oder einer
medizinischen Schönheit sprechen könnte. Das
bedeutet, daß ästhetische Werte mit allen Din-
gen und Abläufen, seien sie Natur- oder Men-
schenwerk, verbunden sein können.

In diesem Zusammenhang erhebt sich die
schwierige Frage: welches sind die begrifflichen
Unterschiede zwischen der KunstschÖDheit und
jener großen, immer wachsenden Anzahl von
ästhetischen Werten, die an die Ingenieurarbeit,
an die Arbeit der Technik geknüpft sind?

Es ist keine Frage, daß ein gutes modernes
Flugzeug, ein Ozeandampfer, ein Getreidesilo,
eine beliebige Eisenkonstruktion in hohem Maße
„schön" und „Form" sein können. Dennoch
— welch ein Übergang aus der Welt des Ge-
mäldes in die Welt des Kraftwagens! Welch

ein Gefühl der Fremdheit und Neuheit, wenn
man von der Kathedrale zum Kornsilo, von der
Bildsäule zum elektrischen Lichtmast kommt!

Man kann die Frage nicht damit abtun, daß
man etwa sagt, die Ingenieurform finde ihr
höchstes Genüge in der Erfüllung eines bestimm-
ten sachlichen Zweckes. Denn erstens hat auch
die Kunst — man denke an die Baukunst —
in vielen Fällen zwecklichen Anforderungen
zu genügen. Und zweitens ist eine technische
Form nicht deswegen vollkommen, wenn sie
ihrem „Zweck" vollkommen entspricht. Von
welcher Seite wir auch die Frage angehen, stets
finden wir sie doppelt gestellt als Frage nach
dem Grunde der Ähnlichkeiten und als Frage
nach dem Grunde der Verschiedenheiten.
Diese Schwierigkeit wird immer größer, je selb-
ständiger die technische Form wird, je mehr
sie sich grundsätzlich von der Kunstform ab-
 
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