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Die Gartenkunst — 12.1910

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Pudor, Heinrich: Waldaufbau oder Waldraubau?
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Arntz, Wilhelm: Italienische Renaissance-Gärten, [1]: Villa Bettoni bei Bigliaco
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0034

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26

DIE GARTENKUNST.

XII, 2

Stiftungen vergrößert hat, sollten wir, die den Grüne- Italienische RetiaiSSanCe-Gärteil.

wald immer um „nur so und so wenig" verkleinern, Von Wilheim Arntz.
uns ein Beispiel nehmen. Dabei ist Hampstead Heath
zum allergrößten Teil eben nur eine Heide — was

gäben die Engländer darum, wenn sie in Hampstead Villa Bettoni bei Bogliaco.
Heath die großen Bäume unseres Grunewaldes hätten ! Es besteht heute in einer großen Zahl von Menschen
Über die hygienische Seite der Frage ist schon viel die Uberzeugung, wir müßten nach einer eigenen aus-
geschrieben worden. Auch über die ästhetische Seite, gesprochen deutschen Kunst verlangen. Das ist der
Zu wenig noch über die im übertragenen Sinne Kultur verhängnisvolle, durch Richard Wagner formulierte
aufbauenden Tendenzen des Waldbaues. Man kann ge- und zur Forderung erhobene Irrtum, die Kunst habe
radezu die Höhe einer Kul- nach Nationalität zu streben,
tur darnach messen, wie sie tJjcrjqa/rtg pjas höchste und einzige
denWald wertet. Der Wald ("""^Uffi Wl {'^j) ^'e^ künstlerischen Schaf-
gibt nicht nur Holz, nicht nur &/t'v-e>n . | v ^— fens ist aber Schönheit.
Wasser, er verbreitet nicht cutf ftü^ ~\ | | " |j &,ven \_J) Nicht, weil wir Deutsche

heit, sondern er bringt auch i^y r % fiaitJffl r^r r~\ sieht nach Deutscht

Gedanken, erbefruchtet die
Phantasie, er läßt die Welt

tum

streben, sondern da wir
Deutsche sind, wird alle

des Märchens, der Dichtung, t' r*"^*» v C ~W f Schönheit, die wir schaf

der Kunst entstehen. Ge- x' . . ' ^

rade die köstlichsten Blüten







hin?

: V V' )) fen, die Züge unseres Cha-

T -~ rakters tragen , gewisser-

maßen als Schwächen, die
ihr anhaften, und sie hin-
dern, absolut zu sein, —
Schwächen, die wir selber
aber nicht empfinden.

geistiger Kultur sind un-
denkbar ohne den Wald, der
sie hat keimen und sprossen
lassen. Aus dem Walde sind
uns die großen Propheten

und die kleinen Propheten, /»''"^IF' f ^ lH I fpsS \ ><%t^ Schönheit einzig und

die großen und kleinen ^® _ LJ -vJ ^ i_ w\ allein ist auch das Ziel im

Dichter, die Künstler und Jf'jly / *) s"~r'^ ( ) Mffi 1 Garten, wenn er ein Werk

Musiker gekommen. Ge- ^-pp] ^^7—^5 \—^~'-. ]3t~, r Tj r^ der Kunst sein soll. Jene

rade Deutschlands geistige ^j^' 3_ <Jtr<m* _ "-j/^^' wirkliche Schönheit, welche

Kultur ist undenkbar ohne WM^j^^^^^^^W^ :f?m/>" die praktischen Gründ-
eten Wald. Und was die | ^gH^^^I f^g f lagen, die Notwendigkeiten,

Gegenwart angeht, so frage p j __' ......' _EI^ uumi^u. p nicht verleugnet, sondern

man nur bei Gerhart Haupt- f | ^ ( ^ ^ ^ ^ t | erfüllt. Dann sorgen äußer-
mann an. Was die letzte ^ | —> ^ ^ ( -f | ^ y$/ö^ lieh auch die realen Be-
Vergangenheit betrifft, bei -—~- '' - 1 dingungen unseres Klimas,

Bismarck! Die großen Bäu- ~~ - _ ~— ' unserer Lebensweise, jeder

me von Friedrichsruh, sie —___"_ ~^f r^a-r</a __—■-_ — einzelnen Aufgabe dafür,

haben uns in gewissemSinne ,-r,,„ , o . ,n , daß wir unsern Grenzen

,. , . ,s v. , .. , (F/an ofer Villa nettont . Ijoqliuco. ...
die deutsche Einheit und ——--L—*-1 J-■ nicht entrinnen.

die deutsche Kaiserkrone e(. Ceetat/ftHi d.) Wir sind in den letz-
gebracht. Und wenn es in ten Jahrzehnten durch eine
ihren Wipfeln nicht gerauscht hätte, würden die Raben beispiellose Verwirrung hindurch gegangen auf fast
um den Kyff häusersitz noch heute flattern. . . . allen Kunstgebieten. Jetzt scheint ein neuer Auf-
Aber wir wollen nüchtern sein. Wir brauchen den schwung einzutreten. In Italien stehen die herrlichen
gesetzlichen Waldschutz. Eine Wald-Konseivation-Bill. Werke, welche die höchste Kunstentfaltung, die das
Wir brauchen Aufklärung dem Waldschutz gegenüber Abendland nach der Antike je gesehen, hervorgebracht
schon in den Schulen. Und jeder einzelne Mensch sollte hat. Warum sollen wir uns nicht an diesen vorbild-
wie einst wieder irgend ein persönliches Verhältnis zum lichsten Leistungen einer göttlichen Kulturblüte prüfen
Wald und zu diesem oder jenemBaum — seinem „Lebens- und stärken? In Italien ruhen die schönsten Gärten,
bäum" — gewinnen. Die größte Vereinsorganisation die wir kennen. Sollen sie uns nicht begeistern und
Deutschlands aber sollte der Waldschutzverband sein, belehren dürfen, weil das Land ein fremdes, die Zeit
und wir sollten nicht ruhen, bis das oben vorgeschlagene eine längstvergangene ist? Doch! In ihnen können
Gesetz durchgebracht ist. — Und nun auf zur Tat— wir empfinden, was wahre, zeitlose, übernationale
der Worte sind genug gewechselt. Und wie Montaigne Schönheit ist, und wie weit, wie traurig weit wir noch
sagen würde: fehlt nur, daß wir es tun..... (und vielleicht für immer?) hinter ihnen zurückstehen
 
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