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G. E. Schulze: ob Leibniz ein Katholik gewesen? 94/
vermag, diese Unmöglichkeit für möglich halten, dass solche
Selbstdenker jemals sich einer Kircheninfaliibilität unterworfen
hätten, zumal bei solchen Kirchenlehren, deren Unvereinbar-
keit mit der wahren Scbriftetklärung einem Grotius, und
deren ganze Geschichte nach ihrer alhnäligen Entstehung und
Verschlimmerung einem Leihniz, dem Durchforscher des
Mittelalters , immerhin vor Augen gestanden haben muss. Es
wäre das unbegreiflichste Rätbsel m der Geisterlehre, wenn
Geister, wie Leibuiz oder Lessing in Allem durchaus nach
freiem Lenken gestrebt, dennoch aber in Hinsicht eines Kir-
chenglaubens all' ihren Scharfsinn aufgeboten hätten, um sich
infalhblen Richtern der Vorzeit hinzugeben, von deren Man-
gel an Philosophie, an Geschmack und an Prüfungsgeist sie,
die davon das beste Muster in sich selber hatten, handgreif-
lichst überzeugt seyn mussten.
Gesetzt aber auch, dass dieses Paradoxon gerade bei die«
senfreithätigsten Geistern geschichtlich nachzuweisen wäre,
so würde der seines obersten Grundsatzes und der Haupt-
beweise für seine symbolische Unterscheidungslehren ruhig be-
Wuiste evangelische Protestant eben deswegen in dieser Ab-
normität kein Präjudiz wider seine Ueberzeugungen finden,
weil Auctoritäten zwar sein aufmerksamstes .Nachdenken er-
wecken können, aber nie ihm über Wahrheiten entscheiden. Denn
nichts von Gründen abhängiges ist deswegen wahr, weil die-
ser oder jener oder selbst eine Stimmenmehrheit es sagt; da
vielmehr die einzig guten Auctoritäten diejenige sind, welche
deswegen etwas sagen, weil es ihnen aus wohlbedachten Grün-
den wahr ist.
Diesen festen Standpunkt protestantischer Unbefangenheit
bezeienet Rec. nicht deswegen, wie wenn aus dem Leibnizi-
schen Aufsatz ein Uehertritt oder auch nur eine Vorliebe, rö-
misch-katholisch zu werden, zu entdecken wäre, und folglich
Leibniz eine Auctorität gegen den evangelischen Protestantis-
mus werden könnte. Das Gegentheil, denke ich, wird aus
dem folgender? hell genug werden.
Nachdem ich aus Veranlassung der schätzbaren Nachfor-
schung eines Philosophen, wie Schulze, jetzt selbst auch
das sogenannte Leibnizische System der Theologie, das ich
mir nach seiner wiederholten Erscheinung im Druck aus der
übrigen Kenntniss des Leibnizischen Geistes überhanpthin

*) Vieles daliin leitende ist schon gut aus Leibnitz gesammelt und
in diese Richtung gestellt von Prof. Dr. Neu mann (damals zu
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