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Motley: Der Abfall der Niederlande.

zember erschienen am Thore des Schlosses Loevenstein vier Mönche
und begehrten Gastfreundschaft. Sie wurden sogleich vor den Com-
mandanten, einen Bruder des Präsidenten Tisnacq geführt. Der vor-
derste Mönch näherte sich ihm und fragte, ob er das Schloss für
den Herzog von Alba oder für den Prinzen von Oranien halte?
Der Commandant antwortete, er wisse von keinem Prinzen als von
dem Könige Philipp von Spanien. Hierauf zog der Mönch, der
Niemand anderer als Herman de Ruyter, ein Viehhändler und fana-
tischer Anhänger Oraniens war, ein Pistol unter der Kutte hervor,
und schoss den Commandanten durch den Kopf. Die Andern, den
Schrecken benützend, bemeisterten sich des Platzes, führten noch
vier oder fünfundzwanzig Mann herein, und begannen das Schloss
in Vertheidigungszustand zu setzen. Der Gouverneur von Herzogen-
busch sandte sogleich zweihundert Mann zur Wiedereroberung des
Schlosses ab. Es gelang den Spaniern in achtundvierzig Stunden
Meister des Platzes zu werden. Viele Spanier, die sich herzuwag-
ten, um de Ruyter niederzuschlagen, sanken einer nach dem ande-
ren unter seinem Schwerte. Endlich, von der Menge überwältigt,
wich er in die Halle zurück. Hier brachte er plötzlich eine Lunte
an eine Zündlinie, die er vorher gelegt hatte. Der Thurm sprang
augenblicklich in die Luft, und de Ruyter theilte mit seinen Verfol-
gern den gleichen Untergang. Ein Theil der verstümmelten Reste
dieser heroischen aber wilden Patrioten wurden später in ohn-
mächtiger Rache an den Galgen von Herzogenbusch genagelt.
Eine Anschauung, von welcher gemeine Spitzbuben in „heroi-
sche Patrioten“ umgestempelt werden und welche für den Meu-
chelmord keinen anderen Namen als den des „wilden Muth es“
hat, legt den Beweis auf die Hand, dass die Partheileidenschaft des
Verfassers auch mit dem Könige Philipp, mit Alba und allen histo-
rischen, ihm wie diese missliebigen Personen ungerecht verfährt.
Darum kann sein Werk weder auf Gewissenhaftigkeit des Uitheils,
noch auf Wahrhaftigkeit der Darstellung Anspruch machen. Wenn
übrigens der in den zuletzt angeführten beiden Beispielen gegebene
Verstoss gegen das sittliche Gefühl keine Rüge verdiente, dann
müsste man die Kritik der Verpflichtung entbinden, für Aufrecht-
haltung des Adels der Geschichtschreibung zu eifern, und sie gegen
Entsittlichung zu schirmen.
M. Koc‘3i.
 
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