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Thudichum: Zu Sophokles Antigone.

wollen. So urtheilt der Verfasser, und mit allem Recht: denn nur ein gänz-
liches Verkennen des Wesens der älteren attischen Tragödie und des in ihr
herrschenden Geistes konnte eine solche Ansicht hervorrufen, die nur aus dem
Bestreben, Etwas Neues sagen zu wollen, da wo Nichts Neues vorzubringen
war, sich einigermaassen erklären lässt. Dasselbe mag auch von der trilogischen
Verbindung der Antigone mit den beiden Oedipus gelten, worauf sich der
Verfasser, wie billig, gar nicht weiter eingelassen hat; wohl aber hat er das
Verhältniss dieser Stücke zu einander, und die durchaus gleichmässige Haltung
der Charaktere, die keine Widersprüche erkennen lässt, in geeigneter Weise
da, wo er die Frage nach der Entstehung des Gedichts behandelt, hervorge-
hoben. Was die metrischen Uebersetzungen betrifft, welche zum Behuf und
bei Gelegenheit der Erklärung eines Dichters gemacht werden, so hat der
Verfasser sich für eine prosaische Abfassung derselben ausgesprochen, und
diess dann auch angewendet auf die neueste Uebersetzung von Schöll und
deren auch an andern Orten anerkannte Mängel, die bei einer prosaischen
Fassung wohl verschwunden wären. „Schöll indessen scheint in seinen Tri-
„metern die Regeln der Prosodie und der Metrik mit Absicht hintangesetzt zu
„haben, da in hundert Fällen die Länge am unrechten Orte steht und von
„Cäsur und Gliederung wenig bemerkt wird.“
Es kann hier nicht unsere Absicht sein, noch weiter in das Detail dieser
Untersuchungen einzugehen, die für die richtige Auffassung und Würdigung
dieses sophokleischen Stückes so Manches bieten, was Jeder, der mit diesem
Stück sich näher beschäftigt, wohl zu beachten hat, weshalb wir allen Freun-
den und Lesern des Sophokles diese Untersuchungen empfehlen. Die in
dem andern Theile der Schrift enthaltene kritische Besprechung einer nam-
haften Anzahl von Stellen erleidet ihrer Natur nach keinen Auszug, so vieles
Treffende und Richtige darin auch vorkommt, namentlich was die schon oben
erwähnten ganz willkührljchen Verdächtigungen einzelner Verse betrifft, die
als unächt aus dem Texte hinausgeworfen werden sollen. In dieser Beziehung
mag es erlaubt sein, wenigstens nur Einer Stelle zu gedenken, freilich einer
der viel besprochensten und bestrittensten, wir meinen die Stelle 894 ff. (864
ed. Boeckh, 904 ff. al.), die als ein nach Herodotus III, 119 gemachtes Ein-
schiebsel in neueren Zeiten mehrfach verdächtigt worden ist, so sehr auch,
nicht blos die handschriftliche Ueberlieferung, sondern was noch mehr ist, das
Zeugniss des Aristoteles und des Clemens von Alexandrien für die Aechtheit
dieser Verse spricht. Der Verf. zeigt in einer längeren Ausführung das Un-
genügende der wider die Aechtheit vorgebrachten, zum Theil aus der Luft
gegriffenen Gründe und kann daher nur seine Verwunderung aussprechen, „wie
man dem Dichter so leichten Entschlusses neun oder zehn Zeilen entziehen
möge“ (S. 35). Wir theilen vollkommen diese Ansicht und können uns nur
freuen über die hier gegebene Ausführung, da sie in völliger Uebereinstim-
mung steht mit dem, was wir selbst in der Note zu der a. St. des Herodotus
(T. II. p. 231 der neuen Ausgabe) behauptet haben oder vielmehr behaupten
mussten; denn, fragen wir billig, wo tritt denn die Nothwendigkeit der An-
nahme hervor, die den Sophokles dem Herodotus, oder diesen jenem nach-
schreiben lässt? Kann nicht der Eine so gut wie der Andere auf den Ge-
danken gekommen sein, der in dem einen Fall der (in Griechischer Sinn-
 
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