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Reboul: Pauperisme et bienfaisance.

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Grundlage für die zweckmässigste Organisation des Armenwesens
zu gewinnen. Niemand wird verkennen, dass durch die Arbeiten
auf den in den letzten Jahren in Brüssel und Frankfurt wirkenden
Wohltliätigkeitscongressen viele gute Erörterungen veranlasst worden
sind; allein prüft man genau das Ergebniss der Leistungen, so be-
merkt man bald, dass schon nach der Art, wie diese Congresse
gehalten werden, nach der Eilfertigkeit, mit der man in die Ver-
handlungen von ein paar Tagen die Berathung einer grossen Masse
der verschiedenartigsten und wichtigsten Fragen zusammenzudrängen
sucht, und nach der Heterogenität der Elemente, aus denen diese
Congresse zusammengesetzt sind, eine bedeutende Grundlage für die
richtige Organisation der öffentlichen und Privatwohlthätigkeit nicht
erwartet werden kann. Wie wenig auf Verständigung sobald ge-
rechnet werden darf, ergibt sich, wenn man den Einfluss des seit
Jahrhunderten geführten Kampfes zwischen Kirche und Staat auf
die Wohlthätigkeit betrachtet.
Der Gang der Gesetzgebung in Belgien in Bezug auf die Or-
ganisation der Wohlthätigkeit und insbesondere über die Beschrän-
kungen, welche der Staat der Freiheit der Privatwohlthätigkeit auf-
legen darf, lehrt zur Genüge, wie leicht in die Verhandlungen über
die Wohlthätigkeitsfrage auch mehr oder minder sich Rücksichten
einmischen, die auf das Verhältniss von Kirche und Staat sich be-
ziehen. So lange noch Unklarheit über die leitenden Grundsätze
die Verständigung hindert, bleibt nur ein sicher zum Ziele führen-
des, wenigstens das Gute vorbereitendes Mittel, das der gewissen-
haften mit praktischem Geiste geführten Sammlung von Materialien,
wie in einzelnen Gegenden die Wohlthätigkeit organisirt ist. Jemehr
eine solche Sammlung in alle Einzelheiten eingeht, und auf alle
Punkte gerichtet ist, durch deren Kenntniss es möglich wird, die
Ursachen und den Umfang des Uebels, dem abgeholfen werden soll,
und die Mittel der Abhülfe und ihre Wirksamkeit zu erkennen, desto
grösser wird der Gewinn aus einer solchen Arbeit sein. Einen
höchst belehrenden Beitrag hiezu verdanken wir nun dem Verfasser
der oben angeführten Schrift, die sich auf das Departement des
Niederrheins (einen Theil von Elsass) bezieht, also auf eine Gegend,
die vorzüglich geeignet ist, wichtige Aufschlüsse über Wohlthätig-
keitsanstalten und Armenwesen zu liefern. Wir finden hier eine
arbeitsame, verständige, zwar für heitern Lebensgenuss und Ver-
gnügungen sehr gestimmte Bevölkerung, die von früher Zeit an
einen grossen Wohlthätigkeitssinn bewährte. Wir finden in dem
Bezirke eine grosse Stadt, Strassburg, in welcher zwar die grossen
Städten eigenthümlichen Elemente sittlicher Verdorbenheit, aber auch
viele bürgerliche Tugenden, eine liebenswürdige Gemüthiichkeit und
ein Wohlthätigkeitssinn in einem Grade sich äussern, der fortdauernd
Wohlthätigkeitsanstalten in seltenem Umfang in das Leben gerufen
hat, während in der ländlichen Bevölkerung die grössten Verschie-
denheiten Vorkommen, welche auf das Armenwesen einwirken, z. B,
 
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