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Otfrids von Weissenburg Evangelienbuch.

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was schon beinahe ganz als des Verfassers Poesie aufgefasst wer-’
den muss, denn abgesehen von dem Worte: Gegenwart haben Original
und Uebersetzung nichts miteinander gemein.
V. 24, 5. 6:
erdun inti himiles inti alles fliazentes,
fehes inti mannes, druhtin bist es alles
(Der Erde und des Himmels und aller Gewässer, der Thiere und
der Menschen, der Herr bist du dieses Alles)
lautet:
Der Himmel strahlt, die Erde blüht, ein glänzend Meer sie rings
umzieht,
Worin (im Meere) sich Thier und Menschen freun, du bist
der Herr, s’istAlles Dein.
[Die Menschen anbelangend dürften wohl gegründete Bedenken er-
hoben werden, ob ihre Freuden im Meere besonders erheblich?!]
Die Zusätze beschränken sich aber nicht blos auf einzelne
Wörter, sondern erstrecken sich, wie erwähnt, auch auf ganze Sätze:
I. 9, 40:
thiu zuht was wahsenti in druhtines henti
(Die Frucht erwuchs in Gottes Hand)
ist mit gewöhlichem Unverstand übertragen:
In Gottes Zucht, in Gottes Hand, erblüht der Knab dem Vaterland
beigesetzt aber, um eine Strophe zu erhalten:
Bei strengen Fasten ihm geweiht in eines Waldes Einsamkeit.
Ebenso ist beigesetzt:
III. 18, 74:
Der Heil und Frieden allen fand, muss fliehen vor der Feinde Hand.
III. 6, 5:
Fuar druhtin inti sine ubar einen lantse
(es fuhr der Herr mit den Seinen über einen Landsee)
soll heissen:
Er war im Schifflein auf den Wogen,
beigefügt aber ist:
in einen Landsee wars gezogen.
III. 12, 28 ist:
ioh gereta inan wizist daz ouh filu hoho über thaz
ausgelassen, dafür aber gegen das Original beigefügt:
und Hoheit spricht der Menschheit Hort.
Ja manchmal scheint der Uebersetzer alle Kunstfertigkeiten,
die er sonst vereinzelt anwandte, um den Text unkenntlich zu ma-
chen, z. B. Fehler gegen Wortbedeutung, Wortform, Construction,
Auslassungen, Zusammenziehungen und Zusätze auf einmal ge- •
braucht zu haben, um eine Uebersetzung zu Stande zu bringen,
von der er mit Recht hätte sagen können, eine solche sei noch nie
dagewesen. Auch hievon ein Beispiel.
III. 13 erzählt Otfrid in engem Anschluss an die Bibel (Math.
16, 20fgg.), wie Christus sein Leiden und seinen Tod prophezeite,
 
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