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256

Voigt: Lehre von ius naturale u. s. W.

naturalia civilis ratio perimere non potest leidet auf die Sklaverei
keine Anwendung und das ius gentium steht mit sich selbst im Wi-
derspruch, insofern es auf die naturalis ratio gegründet wird, nach
welcher alle Menschen ursprünglich frei sind.
Der Sklave ist kein Mitglied des politischen Gemeinwesens und
es stehen ihm daher auch keine Civilrechte zu; er hat kein suum,
welches eine politisch-bürgerliche Persönlichkeit voraussetzt. Der
Staat garantirt die Privatrechte durch die Klagbarkeit und die Wirk-
samkeit der Gerichte. Davon ist der Sklave ausgeschlossen. Wenn
er demnach in Ermangelung der juristischen Selbstständigkeit kein bür-
gerliches Rechtssubjekt ist, so ist er doch ein Vernunftwesen, kein
durchaus rechtloses Subject. Die Rechte desselben sind nur inso-
weit aufgehoben, als sie in dem ius civile gegründet sind. Die iura
naturalia leiden insofern auf ihn eine Anwendung, als er naturaliter
berechtigt und verpflichtet ist. Innerhalb dieser Grenzen ist die na-
türliche Freiheit anerkannt, und auf diese wird die naturalis obliga-
tio zurückgeführt (fr. 64 d. cond. ind.j. Das Kennzeichen derselben
ist, dass sie keine Klage giebt, und sie hat daher im Verhältniss
zur civilis einen negativen Charakter. Es würde gegen die sittliche
Natur des Rechts anstossen, wenn man die Tilgung einer mit freiem
Willen contrahirten Schuld rückgängig machen und das wieder for-
dern könnte, was man von freien Stücken gezahlt hat. Das Nicht-
worthalten würde dann in der Weise sanctionirt werden, dass wenn
man es auch gehalten hätte, man es doch wieder vernichten könnte,
und so mit sich selbst in Widerspruch träte. Die obligatio natura-
lis in ihrem Verhältniss zur civilis, leidet unstreitig auf die Pere-
grinen eine Anwendung, hat aber in Beziehung auf Sklaven nicht
den Sinn, dass dieselben bei allen Völkern in dem Genuss einer sol-
chen beschränkten Rechtsfähigkeit sind. Sie kann also insoweit nicht
als Produkt des iuris gentium als Ausfluss eines Rechts angesehen
werden, quod naturalis ratio inter omnes homines constituit et apud
omnes populos peraeque custoditur. Von den Instituten des j. g.,
welche nach dem H. V. nur für freie gelten, sind die Sklaven aus-
geschlossen. Nun heisst es aber in fr. 8 §. 4, 46,4. et servus ac-
cepto liberari potest, et tolluntur etiam honorariae actiones, si quae
sunt adversus dominum, quia hoc iure utimur, ut iuris gentium sit
acceptilatio et ideo puto, et graece acceptum fieri, dummodo sic fiat,
ut latinis verbis solet. Die acceptilatio wird sonst als actus legiti-
mus, als ein Tilgungsact des Civilrechts aufgeführt (fr. 107 de solut.
et üb.) und steht der solutio gegenüber (v. G. 3, 71. s. Schrader
zu §. 1 der Inst, quibus modis). Da die acceptilatio aber später-
hin auch in griechischer Sprache vollzogen werden konnte, so wurde
sie ebenso wie die stipulatio, insofern die letztere nicht auf spondere
lautete, dem ius gentium beigezählt.
(Schluss folgt.)
 
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