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1865.

Nr. 31. HEIDELBERGER
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Procopius von Caesarea von Dr. Felix Dahn. Professor an der
Hochschule zu Würzburg. Berlin. Mittler 1865.
Prokopius von Cäsaria war unter seinen Zeitgenossen ein
Gegenstand ungetheilter Bewunderung. Der Nachwelt würde er zum
Mindesten im Lichte eines harmlosen Historiographen erschienen
sein, wenn nicht Nikolaus Alemannus im Jahre 1623 die Geheim-
geschichte herausgegeben, und damit einen Zankapfel unter die ge-
lehrte Welt geworfen hätte. Die Geheimgeschichte trägt so deut-
lich den Stempel eines Libells, sie athmet einen so glühenden per-
sönlichen Hass gegen Kaiser Justinian und dessen Gattin Theodora,
dass sich für die späteren Kritiker die Alternative herausstellte
entweder jene Schrift als unächt zu erklären, oder Prokop’s Cha-
rakter aufs Schärfste anzugreifen. Vor Allem waren die Juristen
mit einem wegwerfenden Urtheil bei der Hand; da Justinian ihnen
der grösste Wohlthäter der Menschheit zu sein schien, und da sein
Name ihrer dankbaren Begeisterung mit allen Herrlichkeiten des
Corpus juris in eine verklärte Glorie zusammenfloss. Die Einen nannten
Prokop einen falschen Ankläger, die Anderen nannten den Ankläger
einen falschen Prokop; insgesammt verwarfen sie den Inhalt der
Schrift, und wenn sie sich für den officiellen Prokop überhaupt
noch interessirten, der doch immer ein Beamter ihres grossen
Kaisers gewesen ist, so erwiesen sie ihm die Ehre auseinanderzu-
setzen, dass er die Geheimgeschichte nicht geschrieben habe. Der
Helmstädter Professor Eichel glaubte »die Sache aller Fürsten«
zu vertheidigen, indem er die Invektiven der Geheimgeschichte
zurückwies und schliesslich an der Verfasserschaft Prokop’s zwei-
felte. Man merkt es aber seinen wortreichen Erörterungen, in denen
die ganze Leidenschaftlichkeit der jüngst vergangenen Religions-
kriege nachzittert, sofort an, dass es mehr auf die »Rettung«
Justinian’s und Theodora’s, auf die Rechtfertigung des aufgeklärten
Absolutismus und der Staatsraison des 17. Jahrhunderts ankommt,
als auf die Rettung Prokop’s. Sed esto, heisst es in der Praefatio,
Procopii Caesariensis, quamvis id nullo certo argumento ostendi
possit; multo minus metus ille removeri, Ανέκδοτα non esse inter-
polata: fama tarnen Justiniani, quam eversam hoc scripto ivit,
nullo modo ne in minime quidem re periclitatur. Der politische
Zweck der Eichel’schen Schrift liegt damit klar am Tage; Prokop’s
literarischer Ruhm wird der Idee des landeshoheitlichen Despotis-
mus zum Opfer gebracht, die durch die kleindeutschen Potentaten
von Braunschweig und Lüneburg ebenso vertreten war, wie durch
LiVIIL Jahrg. 7. Heft. 31
 
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