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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Zobel, Victor: Pützer'sche Hausbauten in Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0128

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INNEN-DEKORATION

ARBEITER KOLONIE 1
r FIRMA E.MERCK
DARMSTADT.

oder gebundene Form, nicht einfach. Denn einer-
seits hat bei uns in Deutschland die Erziehung in
den klassischen Formen trotz des gotischen Erb-
teils ein zweifelloses Bedürfnis nach Symmetrie
zurückgelassen, wie ja auch grade in der schlichten
Regelhaftigkeit des Biedermeier-Hauses, das uns
im übrigen nur zeitlich, aber nicht geistig nahe steht,
sein großer künstlerischer, für uns beiehrsamer Wert
liegt. Andererseits aber fordert das heutige Leben
in allen seinen Äußerungen die höchste Zweck-
mäßigkeit und ist dem äußerlichen Prunken abhold.
Ebensosehr sind aber auch die romantischen und
malerischen Neigungen zurückgetreten. Und so
mag es wohl kommen, daß auch bei der freien
Anordnung deutscher Bauten immer das Streben
nach einem gewissen Rhythmus besteht, daß
ihre äußere Erscheinung immer etwas Zusammen-
gehaltenes zeigt.

Das neue deutsche Einzelhaus hat sich aus
den angedeuteten Bedingungen heraus lebendig
und lebensfähig entwickelt, und wir haben heute
in den besten Beispielen Kulturleistungen von
großem Wert vor uns.

Ich habe hier von einigen Darmstädter Bauten
des Professors Friedrich Pützer zu sprechen, die
mir als besonders gelungene und wertvolle künst-
lerische Leistungen erscheinen. In gleicher Weise,
wie die zahlreichen anderen Werke des Baukünst-
lers zeigen sie überaus klar, welche tiefe Achtung
er vor dem überkommenen Alten hat, wie sehr
er den kostbaren Besitz schätzt, den wir Deutschen
in den guten Bauten bis ins neunzehnte Jahrhundert
hinein haben und der eine gewaltige Summe von
Erfahrung, Lebensweisheit und Können darstellt.
Das ist der Punkt, wo er sich mit der englischen
Art, diese Dinge zu betrachten, trifft; aber er ist
daneben mehr, als der englische Architekt, Mensch
seiner Zeit, der den neuen Bedürfnissen die neue
Form zu finden sucht, er steht bewußter in der
neuen Bewegung, und das entspricht durchaus der
völlig verschiedenen Entwicklung unserer deutschen
Verhältnisse den englischen gegenüber. Seine Haus-

bauten sind in erster Reihe aus den Bedürfnissen
der neuen Art zu wohnen gewachsen; aber bei
aller Sachlichkeit im einzelnen behält er doch das
Ganze im Auge und gibt jedem seiner Bauwerke
eine Geschlossenheit der Haltung, die es zur Kunst-
leistung abrundet. In bewußtem Gegensatz zu
der Art des rein persönlichen Schaffens, die so
häufig aus Augenblicks-Einfällen und Versuchen
ein Architekturbild zusammenstellt, will Putzer nur
mit den einfachsten, ruhigen Formen wirken und
er gibt dadurch seinen Bauten den Zug jener so
selten zu findenden Selbstverständlichkeit und an-
spruchslosen Größe, die etwas Bleibendes und
Allgemeingültiges aus ihnen macht. Wenn auch
die Schaffensweise der vorwiegend persönlichen
Architekten reiche Anregungen gibt und wenn
darum ihr Wert nicht unterschätzt werden darf,
so hat sie doch für die Allgemeinheit ihre großen
Gefahren; und es ist sicher, daß auf dem Wege,
den Pützer geht, die gesundere Weiterentwicklung
sich vollzieht. Hier knüpfen sich überall leichte
Fäden an die Vergangenheit, und es sind besonders
die heimischen Formen, die klug verwertet sind.
Und so zeigen die Bauwerke nicht nur eine schlichte
und ruhige Sachlichkeit, sondern sie geben auch
das Gefühl von Vertrautheit und Wärme.

Nicht gering zu schätzen ist es, daß der
Baumeister Bauherren gefunden hat, mit denen
ein sehr glückliches Zusammenarbeiten stattfand.
Ihnen, deren Wünsche die Grundlagen für den
Bauplan bildeten, sind wir kaum weniger Dank
schuldig als dem Baumeister. Denn ohne sie
wären schließlich so abgerundete und ausgereifte
Leistungen, wie die hier gezeigten Darmstädter
Hausbauten die nicht nur dem Besitzer, sondern
in mancher Weise auch der Allgemeinheit zu gute
kommen, nicht möglich gewesen.

Zu den einzelnen Bauten wird wenig zu sagen
nötig sein. Das Haus Mühlberger wirkt vor allem
durch seine ruhig zusammengefaßten Formen,
durch seine fast wuchtige Geschlossenheit; es steht
auf einem verhältnismäßig kleinen Grundstück
 
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