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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Vogt, Adolf: Der neue Zeichen-Unterricht und das Kunst-Gewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0164

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150 INNEN-DEKORATION

ADOLF HOLUB — WIEN.

Wohnzimmer aus einem Landhause.

Ich hatte jüngst einmal wieder Gelegenheit,
eine besonders reich beschickte Ausstellung von
Kinderzeichnungen zu durchwandern, und da mußte
ich an die Jugend im alten Athen denken, der man
doch nachsagt, ihr wäre das künstlerische Em-
pfinden angeboren gewesen, sie hätte ein starkes
Stilgefühl von Mutter Natur mit in die Wiege be-
kommen. Leider sind uns, soviel ich weiß, Kinder-
zeichnungen aus dem alten Griechenland nicht
erhalten. Es wäre gewiß von größtem Interesse,
in ihnen die Spuren des ererbten Schönheitsdranges,
des in Fleisch und Blut übergegangenen Stil-
empfindens aufzusuchen. Ich fragte mich nun, ob
man in den Zeichnungen der deutschen Kinder
vielleicht irgendwelche Spuren entdecken könnte,
die Schlüsse zulassen auf einen angeborenen »Stil«,
auf ein ererbtes Kunstempfinden. Und ich hätte
gerne gewußt, ob die etwa in Andeutungen vor-
handenen Stilkeime in irgend eine Beziehung zum
»modernen Stil« gebracht werden könnten. Das
hätte mehr als bloßen Kuriositätswert. Denn das
ist klar: Wenn nachgewiesen werden kann, daß
der moderne Stil verwandt ist mit den ursprüng-
lichsten künstlerischen Äußerungen des deutschen
Kindes, dann steht es außer Frage, daß der moderne

Stil einen tieferen Zusammenhang hat mit unserer
Rasse, dann entspricht er der innersten Sehnsucht
der deutschen Seele. Dann gehört er so zum
deutschen Volke, wie der griechische Stil zum
griechischen Volke gehörte, als ein notwendiger
Ausdruck des Rassencharakters.

Um es kurz zu sagen: Es finden sich wohl
Spuren eines künstlerischen Wollens in den Kinder-
zeichnungen, man trifft Anzeichen, die als Vorläufer
eines »Stiles« gedeutet werden können, allein —
keiner von diesen Fingerzeigen weist auf unsern
modernen Stil.

Besonders unter den aus freiem Antrieb ge-
fertigten Knabenzeichnungen tritt sehr deutlich ein
Streben nach lebhaftem Ausdruck und eine naive
Freude daran zu Tage. Das rührt nicht bloß daher,
daß die Knaben an sich mehr Interesse für packende,
aufregende Geschichten, für Heldentaten und Aben-
teuer zeigen; diese Vorliebe behandelt sich in der
Wahl der Gegenstände für ihre freien Zeichnungen.
Aber die Art der Wiedergabe offenbart ganz un-
verkennbar ein Streben, den Ausdruck zeichnerisch
zu steigern. Natürlich folgen die Mittel diesem
Streben nur langsam nach, aber das Haar krauser,
den Schnurrbart kühner, die Augen drohender, das
 
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