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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Jaumann, Anton: Eine Mietwohnungs-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0215

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INNENDEKORATION

XVIII. SHHRGHIie. Dcirmltcidt 1007. OTM-HeFT.

EINE MIETWOHNUNGS-AUSSTELLUNG.

Eine Ausstellung eigener Art hat die Berliner
Firma »Dittmars Möbelfabrik« in Gemein-
schaft mit dem Maler Hermann Münchhausen
aufgemacht. Sie hat in einem Hinterhause von
Berlin W zwei Etagen gemietet und dort einige
Wohnungen eingerichtet, so, als ob morgen schon
die Bewohner, Durchschnittsfamilien von Berlin W,
einziehen sollten. Das Terrain war, das wissen
alle, die in Berlin je gewohnt haben, für eine
solche Unternehmung höchst ungünstig. Denn
Dittmar und Münchhausen, sie wollten doch so
etwas wie vorbildliche Einrichtungen schaffen,
Wohnungen, die zum Verbleiben, zum Erwerben
locken sollten, Typen moderner reifer Hauskunst.
Das ist aber in einem Stadthaus der gewöhnlichen
Art — und damit muß die Mehrzahl derer, die
sich heute neu einrichten, rechnen — fast ganz
und gar unmöglich. Und schlimmer als in Berlin
können die Verhältnisse kaum irgendwo sein.
Gegen die Straße zeigt das Haus, mit verschwin-
dend wenigen Ausnahmen jedes Haus, eine blen-
dende, stuckstrotzende Fassade, eine Umschreibung
des Epithetons »hochherrschaftlich« oder »Palais«,
das alle für sich in Anspruch nehmen. Mit Speck

fängt man Mäuse und mit Fassaden die Mieter.
Und mit »prächtigen« Stiegenhäusern! Praktisch
sind diese Treppenanlagen ja nie, und die Be-
leuchtung läßt viel zu wünschen übrig. Dafür
"wird man aber entschädigt durch eine ganz.un-
wahrscheinliche Farbenpracht der bemalten Fenster
und des reichlich vorhandenen imitierten Marmors.
Noch weiter erstreckt sich die Fürsorge des Bau-
herrn: Stuckplafonds, Porzellanöfen mit riesigen
Aufbauten sind in allen Wohnungen im Übermaß
vorhanden, und damit die Grundpfeiler zu einer
schönen, »hochherrschaftlichen« Einrichtung. Daß
der Grundriß der Wohnung miserabel, daß eine
angemessene, bequeme Disposition der Zimmer
unmöglich, daß ihre öde Kistenform eine malerische,
wohnliche Ausstattung ausschließt, daß die Fenster
zwar sehr regelmäßig verteilt, aber für eine zweck-
mäßige Lichtführung ungeeignet sind, daß die
Türen mehr die Wände zerreißen als die Räume,
soweit es notwendig ist, verbinden, das soll man,
wie noch vieles andere, übersehen. Die einzelnen
Mißstände sind in den Hinterhäusern natürlich
potenziert. Die Rechenkünste der Bauherrn feiern
hier wahre Orgien. Alles kommt auf die Zahl

1907. VII. 1.
 
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