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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Gurlitt, Ludwig: Eine Mietwohnungs-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0225

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INNEN-DEKORATION

2 I I

Wohn-Zimmer, Ausführung: Dittmars Möbelfabrik. Eiche ge-
räuchert. Teppich und Tapeten grün. Tischdecke von Voysey.

Meinung unserer Arzte der beste Bundesgenosse
vieler lebensfeindlicher Bazillen, der Staub, den
zu bannen und zu verjagen viele deutsche Mädchen
und Frauen die bessere Hälfte ihres Lebens dran-
geben. Auch dadurch werden hier Krankheits-
erreger fern gehalten, daß bei lichten, durchlässigen
Gardinen das helle Tageslicht alle Räume durch-
flutet. Da gibt es keine dunklen, muffigen Ecken
und selbst der häßliche Gasmesser im Vorhause
ist geschützt und zu einem schmucken Spiegeltisch
mit Gardine umgewandelt. Wie gut hier auch
den armen Großstadt-Nerven gedient wird, habe
ich schon genügend betont.

Gleich förderlich sind diese Wohnungen der
ästhetischen Bildung. Kinder zumal, die in so
fein gestimmten Räumen aufwachsen, müssen
daraus ein verfeinertes Kunstempfinden mit ins
Leben hinaus nehmen.

Es ist undenkbar, daß sich in den bisher üb-
lichen geschmack- und stimmungslosen Räumen
wohlfühlen werde, wer in Wohnungen von so vor-
nehm-schlichter Einfachheit groß geworden ist.

Und da alle Kultur von Innen heraus wächst
und bei dem einzelnen Menschen selbst anzufangen
hat, so ist dies der rechte Weg, um überhaupt
aus unserer stil- und kulturlosen Zeit, die sich in
der Nachahmung aller möglichen Stilformen er-
schöpft und damit bankerott gemacht hat, in
unseren gesamten Lebens- Äußerungen zu einem
eigenen ehrlichen Ausdruck unserer körperlichen
und seelischen Bedürfnisse zu kommen. Also auch
in moralischer Hinsicht bedeutet diese Ausstellung
eine Tat: es ist eben gute, ehrliche, wahrhafte
Arbeit, ist ein kräftiges und dabei doch ruhiges
und sicheres Bekenntnis vornehmer deutscher
Denkungsart und Gesittung.

Ich wünschte, daß viele diese Einrichtungen
sehen, viele sich in ihrem Geiste einrichten möchten.
Mir geht die Sache deshalb so nahe, weil ich als
Erzieher von Beruf hier einen Weg sehe, der uns
aus dem Labyrinthe der Stilimitationen und der
Kulturrepetitionen zu eigenem geistigen Leben und
Wachstum führen müßte und könnte. —

STEGLITZ—BERLIN.

PROFESSOR LUDWIG GURLITT.
 
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