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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schulze, Otto: Zur Lage des Kunst-Handwerks
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0258

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244

INNEN-DEKORATION

ZUR LAGE DES KUNST-HANDWERKS.

VON OTTO SCHULZE—ELBERFELD.

Als vor etwa zehn Jahren namhafte Künstler an-
/ \ fingen, den Kampf gegen die Wiederholung der
historischen Stile zu führen und sich in schöpferischer
Gestaltung die kulturellen Ansprüche der Zeit als Leit-
motiv nahmen, hat dieses Vorgehen, trotzdem dabei
die absurdesten Dinge zutage traten, nicht halb so viel
Staub aufgewirbelt als heute, da wir meinen, den Höhe-
punkt der Klärung erreicht zu haben. Es scheint mir,
als könne sich der Mensch nie dessen recht erfreuen,
was er besitzt. Er schaut vorwärts oder rückwärts, die
Gegenwart ist ihm nur Mittel zum Zweck: sich mit der
Vergangenheit oder Zukunft zu beschäftigen. Daß man
ab und zu Rückschau halten muß über die zurück-
gelegte Wegstrecke, scheint mir selbstverständlich, um
zu erfahren, ob man und wie weit man vorwärts ge-
kommen ist. Dem einen wars nicht genug, dem zu
schnell, jenem zu langsam. Einige suchten hierbei das
Gute, und hielten sich dabei etwas länger auf, andere
nur das Neue, flüchtig an der Erscheinung des Gesamt-
lebens vorbeirasend!

Man hat damals geschimpft wie man heute schimpft,
man hat damals gelobt, gesalbt und Hosianna geschrieen
mit demselben Eifer, wie man heute diese unglücklich-
Glücklichen an den Pranger stellt. Eins hatte aber die
Vorzeit des künstlerischen Erwachens voraus: sie ver-
fügte über Menschen, die für das, was sie in Kunst-
dingen der Öffentlichkeit zu sagen hatten, einen so-
genannten anständigen Ton anzuschlagen wußten. Das
scheint mir heute nicht mehr überall zu stimmen; es
hat sich mancherlei inzwischen verschoben, Standpunkte

und Gesichtspunkte sind wesentlich andere geworden.
Damals stritt man sich mehr oder weniger noch um
gelehrte Dinge in der Kunst, die wenigen entdeckten
Talente waren die Angelpunkte zahlloser Feder-Asthetiker;
das eigentliche Leben wurde wenig davon berührt. Das
Neue gehörte kleinen Kreisen, man glaubte mit Wellen-
schlägen der Mode zu tun zu haben. Man war arg-
und sorglos in der Beurteilung der treibenden Kraft.
Auch der Deutsche wird erst ungeduldig und aufsässig,
wenn es ihm an Geld und Ehre geht, wenn Standes-
interessen und Einnahmequellen gefährdet scheinen.
Man sucht bei Feuerlärm ja bekanntlich zu allerletzt
das Brenzliche bei sich im Hause.

Und heute soll's überall angebrannt riechen. Viele
sind unzufrieden mit dem Ergebnis der Ernte, zu der
wir — auch die »Innen-Dekoration« und ihr Heraus-
geber haben hervorragenden Anteil daran genommen —
vor etwa 12 bis 15 Jahren die Saat streuten. Aller-
dings, mancher Leichtsinn und Übermut hat sich an
dem Wachstum und Gedeihen teils gedankenlos, teils
berechnend versündigt-, Blitz und Donner erwachender
»Helden« haben der Ausreife ein »Halt« entgegen-
zustellen versucht. Dresden 1906 ist dem einen ein
Sedan, dem andern ein Jena geworden nach der
moralischen wie wirtschaftlichen Wertung. Und nun
platzen die Gemüter aufeinander. Gebt mir meinen
Namen, gebt mir mein Geld wieder, so schallt es hüben
und drüben. Ich wäre nicht ungehalten darüber; wo
Massen in Fluß sind, ist Bewegung, ist Fortschritt.
Aber der Ton bei diesem Drängen und Schieben könnte
 
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