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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Scheffers, Otto: Etwas über das Grübeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0298

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284

INNEN-DEKORATION

sind, um so unbeholfener werden alle ihre Bewegungen.
Das einfache Übertragen von kleinen Lebensformen in viel-
facher Vergrößerung auf Architekturglieder führt daher meist
zu absurden Gebilden. Auch hier versagt also die Grübelei,
die wohl gewisse Beziehungen erkennt, dabei aber sehr wich-
tige Tatsachen übersieht. — Dem Querschnitt der Wand zu van
de Veldes Museumshalle mit dem vorspringenden Bilderfries,
welche auf der Dresdner Kunstgewerbe-Ausstellung zu sehen
war, liegt nach der eigenen Aussage des Künstlers die Silhouette
einer Staffelei zu Grunde. So tiefsinnig der Gedanke ist, so
verfehlt erscheint er mir schon aus dem Grunde, weil vor
der Staffelei das Auge des Beschauers sich in der Höhe
des Bildes befindet, in der Halle aber viel tiefer. Dieselbe
Art von Grübelei, welche hier den Meister leitete,
könnte einen andern dazu verführen, einen Bismarck-
turm einfach durch Drehen der Bismarck-Silhouette von Helm-
spiße bis zum Fuge um eine senkrechte Achse zu erzeugen.—
Unangebrachte Grübelei ist es auch, wenn ein Künstler
sich sagt, eine Figur, die einen Balkon trägt, muß den
Eindruck machen, als laste das Gestein in ganzer Schwere auf
ihren Schultern. Viele solcher Figuren, die sich mit fürchter-
lichen Glieder-Verrenkungen und Muskel-Anschwellungen
gegen die Steinmassen stemmen, verunstalten unsere Archi-
tekturen. Der feinfühlige Grieche legte unbedenklich die
größten Lasten auf die Köpfe zarter Jungfrauen und erregte
dadurch die angenehme Illusion, als ob der Stein ein leichtes
Gebilde sei, unter das man sich ohne Gefahr begeben könne.
Unsere Bildhauer verstärken mit allen künstlerischen Mitteln
nur die unangenehme Empfindung von der dräuenden Schwere
des Gesteines. — Ich glaube die meisten Theorien über den beab-
sichtigten Ausdruck des Tragens, des Bindens und einiger an-

deren Funktionen von antiken Baugliedern beruhen auf falschen
Grübeleien. Wenn der Grieche einen runden Wulst unter eine
eckige Deckplatte setjte, so tat er es wohl einfach in dem
Gefühle, daß Abwechslung nicht schaden könne, wenn er
auf den Gesimsen Blattreihen anbrachte, so geschah es
gewiß nur in dem Bestreben, eine Richtung anzudeuten,
d. h. eine Bewegung vorzutäuschen, wo in Wirklichkeit gar
kein Leben ist, wenn er die Wülste unter andern auch mit
flechtartigen Ornamenten schmückte, so braucht dabei die
Absicht des Bindens gar nicht vorgelegen zu haben, sind
doch die Bänder ganz locker geflochten, und was in aller
Welt hätte wohl ein um einen Pfosten gewundenes Band
zu halten?

Das Grübeln ist gewiß eine schöne Sache, hat aber
einer keine Anlage zu einem Philosophen, so wird er gut tun,
sich bei all seinen Arbeiten schlecht und recht nur auf
Tatsachen zu stufen, die klar vor aller Augen liegen; denn
nichts wirkt lächerlicher als der mißlungene Ausdruck einer
beabsichtigten Geistreichigkeit. otto scheffers—dessau.

Der Arbeitsausschuß der „Ausstellung München 1908" macht
Hotelbesit3er und Apotheker auf die durch die Ausstel-
lung gebotene günstige Gelegenheit zur besonders wohlfeilen
Erwerbung praktischer und künstlerisch hervorragender Ge-
genstände und Ausstattungen von Innenräumen und Verkaufs-
läden aufmerksam, indem sie ihre Bestellungen von ausstellen-
den Firmen ausführen lassen. Dieses Vorgehen der Ausstel-
lungsleitung ist im Interesse der Möbelfabriken sehr zu be-
grüßen; denn sicherlich werden die Firmen lieber einen in Auf-
trag gegebenen Raum ausstellen, als eine Phantasie-Schöp-
fung, von der es fraglich ist, ob sie später verkauft werden wird.
 
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