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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Jaumann, Anton: Über technische Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0322

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3o8

I NN EN-D E KO R ATI ON

entwurf: i>kof. bruno Paul—berlin. Aus dem Schlaf-Zimmer auf Seite 30g.

Ausführung: Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk A.-G. — München.

dem einheitliche Organismen! Wir nennen diese
Schiffe unwillkürlich Kunstwerke, ohne uns von
einer Wissenschaft über die Richtigkeit eines
solchen Ausdrucks Rats zu erholen. Das Gefühl
sagt es uns übermächtig, daß wir hier eine Er-
schütterung erleben ähnlicher Art, fast auch ähn-
licher Stärke, wie etwa vor einer gotischen Kathe-
drale. Ich vermute, gar manchem wird, da er zum
erstenmal solchen Ozeanriesen betrat, wie mir
seinerzeit, ordentlich weihevoll zumute geworden
sein. Solche Wirkung ist das untrüglichste Zeichen
echter Schönheit.

Etwas Großes und Ergreifendes, mag der
Ästhetiker einwenden, was er will, ist so ein
moderner Ozean-Dampfer. Schon der Umfang, die

Masse des von Menschen-
hand und Menschengeist
Geleisteten macht einen
überwältigenden Eindruck.
Diese Kolosse aus Holz
und Eisen, zu Organismen
gestaltet, mit Leben erfüllt
und in rasender Eile über
die Meere jagend; diese
tausend u. abertausend Bau-
teile, Funktionen, Zwecke,
alles von einem einzigen
umfassenden Gedanken ge-
ordnet; diese Riesenkräfte,
unermüdlich entstehend und
wie von Zauber macht in
eisernen Bahnen zur Arbeit
geführt, dieses tolle, heiß-
zitternde, strotzende Leben,
in voller Harmonie sich
auswirkend — in Natur und
Menschenwerk findet sich
wenig, was sich dem an
Größe und Kraft des Ein-
drucks an die Seite stellen
ließe. Und dabei sind diese
Massen und Kräfte aufs
Feinste berechnet und ab-
gewogen, der Mechanismus
des ganzen Betriebes, so
kompliziert und kräftever-
brauchend, er geht so ruhig
und exakt wie eine Taschen-
uhr. — Für die Landratte
bietet die Vielgestaltigkeit
des Schiffes eine ganz neue
Formenwelt. Schon die
Gesamtform des Schiffes,
der Kontur des Rumpfes,
ist höchst eigenartig. Die mächtige Wand,
die den Riesenleib kraftvoll und elegant um-
schließt und geschmeidig durch die Wogen
gleitet, bildet einen der interessantesten Hohl-
körper. Zwei formgebende Momente treten darin
in gleicher Stärke zusammen, das feste Um-
schließen und das glatte Durchschneiden der Flut
— und sie vereinigen sich zu einer organischen
Einheit, die die beiden Tendenzen mit einer Kurve
erfüllt. Dann die vielerlei merkwürdigen Gestalten
von Kaminen, Luftrohren, Lichtschächten, Signal-
masten, Brücken, Treppen, Winden, Tauen . . . .
ich kann hier natürlich keinen vollständigen
»Schiffskatalog« herschreiben. Auch die Räume
und Gerätschaften, überhaupt die ganze Aufteilung
 
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