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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Jaumann, Anton: Über technische Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0328

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INNEN-DEKORATION

ENTW. UND AUSGEF. VON RUNGE & SCOTLAND—BREMEN.

effekt mit verblüffend einfachen Mitteln erreicht
ist. Nicht das Auge, sondern der Verstand ver-
mittelt ihm dieses eigenartige Gefallen, er schaut
die »Schönheit« nicht, sondern er erkennt sie.
Und zu dieser Erkenntnis kommt er nur vermöge
seiner wissenschaftlichen Vorbildung und seiner Er-
fahrung, Momenten, die für die Allgemeinheit nicht
in Betracht kommen.

Die Maschine hat nichts Gefälliges, nichts Ein-
schmeichelndes an sich. Die Gestaltung ihrer
Formen wurde nicht von den Bedürfnissen des
Auges, sondern nur von der technischen Aufgabe,
von der Funktion, zu der sie bestimmt sind, diktiert.
Es sind reine Zweckformen. Nicht ein Künstler,
ein nüchterner Verstandesmensch, ein Ingenieur,
hat sie konstruiert, dem alle Sentimentalität, alle
zimperliche Rücksichtnahme auf die Ästhetik fremd

sind. Allein das schließt
merkwürdigerweise nicht
aus, daß die so entstandenen
Formen schließlich doch
»schön« gefunden werden.
Auch die Formen der Natur
beabsichtigen ja nicht, schön
zu sein. Sie haben nicht
den Ehrgeiz, noch die
Mission, das Gefallen des
Menschen zu erwecken. Sie
wollen nichts weiter, als
einem bestimmten Zweck
im Gesamtorganismus der
Pflanze dienen. Und den-
noch finden wir sie schön.
Und verhält es sich viel-
leicht bei einer antiken Vase
oder einem einfachen Ge-
genstand des modernen
Kunstgewerbesanders? Die
Vase hat die Aufgabe,
Wasser oder Wein aufzu-
nehmen und fest zu um-
schließen. Daraus ergibt
sich logisch und notwendig
ihre Form. Der Stuhl soll
den Menschen tragen, den
Rücken weich umfassen und
die Arme stützen. Wenn
nun die Stuhlbeine und die
Rücken- und Armlehnen
in ihrem Profil und ihrer
Biegung ganz nur auf diese
ihre Aufgabe hin kon-
struiert und gearbeitet sind,
so kann der Gesamtein-
druck, der schließlich zustande kommt, doch ein
durchaus künstlerischer und schöner sein.

Denn ein ästhetisches Grundgesetz herrscht
durchgängig im Reiche der Natur sowohl wie im
Schaffen des Menschen: Wenn irgend ein Material
so gestaltet wird, daß die sich ergebende Form
genau einem bestimmten Zweck, einer zu leistenden
Arbeit entspricht, so gewinnt diese Form jür unser
Auge Leben, und zwar glauben wir in ihr eine
Tätigkeit, eine Anstrengung, ein Handeln zu er-
blicken, von der gleichen Art und der gleichen
Richtung, wie sie der tatsächlichen technischen
Funktion der Form entspricht. Die Säule scheint zu
leben und zu tragen, die Vase (auch die Schiffswand)
kraftvoll zu umschließen, die Armlehne zu stützen.

Auf dem Mitfühlen dieses Lebens beruht dann
der ästhetische Genuß an den Formen.

Salon einet Luxus-Kabine, weiß
lackiert mit Messing-Einlagen.
 
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