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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Breuer, Robert: Technik als Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0350

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336

INNEN-DEKORATION

Entwurf und Ausführung: Speise-Saal im Hause Poppert—dessen. Weiß und Purpur.

hof-MÖBELFABRIK J. GLÜCKERT—DARMSTADT.

Es mangelt keineswegs an Kunstdenkmalen,
die der höchste Ausdruck ihrer Zeit und die edelste
Form der völkischen Seelenart waren, die durch
die Jahrhunderte hindurch von der wirksamen Kraft
ihrer geschlossenen Einheit nichts einbüßten, die
wir darum klassisch nennen — und die dennoch
der kritischen Analyse technische Irrtümer auf-
weisen. An Kunstwerken, die als ewige Werte
durch die Zeiten ragen, läßt es sich feststellen, daß
häufig die Formen und Konstruktionen, die einem
früher verarbeiteten Material entsprachen, auf einen
erst später gefügig gemachten Rohstoff übertragen
wurden. So manches, was wir als künstlerischen
Ausdruck seiner Zeit nicht wegdenken können,
nicht missen möchten, ist das Produkt prinzipiellen
Verkennens der technischen Möglichkeiten des
betreffenden Materials. — Die peruanischen Ge-
webe gehören einer ethnographisch festbestimmten
Formenwelt, sie zeigen soviel rhythmische Schön-
heit, soviel handwerkliches Geschick und einen so
feinen Reiz der Farbe, daß wir sie zunächst nur
staunend bewundern können. Erst eine genaue
Prüfung entdeckt, daß viele dieser herrlichen Stücke,
die wir nach Form und Qualität zu den besten
Textilerzeugnissen alter Kultur zählen müssen, wohl

auf dem Webstuhl gearbeitet wurden, aber dem
System nach der Flechttechnik zuzurechnen sind. —
Hier dieses Wassergefäß, das energisch und mit
elastischer Eleganz einen Raum aus dem Räume
sondert, die Wandung schwingt, steil und stolz ist
der Aufbau. Die angebogenen Henkel bestehen
je aus zwei Stäben, die sich umeinander winden.
Diese Henkel gehören notwendig zur Form des
Gefäßes, sie sind zweckmäßig und steigern die
Schönheit. Sie sind aber dennoch nichts anderes
als eine in das keramische Material herüber ge-
rettete Erinnerung an jene Zeit, da man zum
Henkel um das Gefäß gewundene Bastseile ver-
wendete. — Sehr leicht läßt sich diese Über-
nahme technisch bedingter Formen aus einem früher
gebrauchten Material in ein erst später verarbeitetes
an ägyptischen und griechischen Bauwerken nach-
weisen. Das gseamte Baugerüst, das Rahmenwerk,
die Gesimsbildung, der Türsturz des ägyptischen
Tempels ist unzweideutig vom Holz auf den Stein
übertragen worden. Teilweise wird sogar die
Rundung der Stämme in Stein imitiert; steinerne
Decken werden holzfarben getönt. Die moderne
kritische Ästhetik müßte den ägyptischen Tempel
törichten Materialmißbrauches anklagen; auch der
 
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