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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Lux, Joseph August: Die Erneuerung der Ornamentik,[2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0366

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352

DIE ERNEUERUNG DER ORNAMENTIK.

Schluss aus dem September-Heft.

Anders geartet ist der Entwicklungsgang von der Antike
Ix über die Renaissance, die die toten Gedanken anderer
Völker und anderer Zeiten von neuem belebte, aus der
Antike die ornamental gewordenen Bauformen bezog und
von den östlichen Völkern die köstlichen Pflanzen-Ornamente
für ihre Webereien. Erst in dem Barock verschmolzen die
beiden gesonderten Entwicklungsgänge des Nordens und
Südens in einem abstrakten neuen Ornament, das jede
körperhafte Beziehung zu irgend welchen außerhalb des
Gegenstandes liegenden Vorstellungen aufgegeben hatte.
Zwar ließ sich der Beweis führen, daß namentlich an dem
Mobiliar die ornamentale Kurve erzwungen und unnatürlich
und aus der Vorstellung fremder Materialien, wie etwa der
gebauchten, gebogenen und geschwungenen Metallformen,
die in Holz imitiert wurden, herrühren, und daß viel Trug
dem Wesen dieser Dinge anhaftete, aber es scheint, daß
der Trug schon lange zu den künstlerischen Notwendigkeiten
gehört, denn das Empfinden der damaligen Zeit hatte die
Neigung, sich in diesem rythmischen Schwung ornamental
auszudrücken und nichts ist einfacher und logischer, als daß
sich das gesamte
Menschenwerk vom
Hausrat bis zum
Kleid und zur Haar-
tracht auf diese or-
namentale Linie zu-
recht stilisiert. In
diesem Sinne hat
van de Velde und
sein Kreis gewisser-
maßen Wesensver-
wandtschaft mit dem
Barocken, ebenso-
gut, wie er es mit der
üothik oder mit der
Kunst der primitiven
Völker hat. Er hat
die Tradition des
Elementaren. Das
XIX. Jahrhundert hat
in der Ornamen-
tik, die tatsächlich
immer wieder die
Künste zur Einheit

zusammenzwingt,
immer nur die frühe-
ren Kulturen nach-
geahmt und an Stelle

der zwingenden
Macht eines schöpfe-
rischen Willens Zer-
fahrenheit und Rat-
losigkeit gesefjt.
Seit dem Barock
hat die Ornamentik
keine Erneuerung er-
fahren, als erst durch
van de Velde und
die Künstler um ihn.
Es ist klar, daß dies
nur möglich war,

ENTWURF UND AUSFÜHRUNG: HOF-MÖBELFABRIK J. GLUCKERT.

Vorplatz im Hause Strauss—Darmstadt. Möbel weiß lackiert.

wenn sich die Künstler von keinen anderen Einflüssen als von
ihrem ornamentalen Empfinden, in dem die ganze Rythmik der
modernen Zeit mit ihren Maschinen, ihren Techniken,
ihrem sozialen Befreiungsdrang und ihrer Vorurteilslosigkeit
vibrierte, leiten ließen. Alle äußere Gemeinschaft mit den Vor-
stellungen der Vergangenheit war auf diese Weise vermieden,
ebenso wie die schwächer gesinnte Sentimentalität der in die
Vergangenheit zurückblickenden Sehnsucht. Was die neue
Zeit wollte, konnte sie nicht mit den Ornamenten der Vergangen-
heit aussprechen. Die modernen Konstruktionen, wie Bahn-
höfe, Brücken, Miethäuser, Wohnungen, hatten nicht die
Aufgabe oder das Bedürfnis wie die alten Kathedralen, die
Gesamtheit der Schöpfung mit ihren Blumen und Sternen
zu symbolisieren, sie konnten für ihre ornamentalen Wünsche
kaum die der Pflanzenwelt entlehnten Ornamente gebrauchen,
obgleich der Einfluß Japans gerade nach dieser Seite viele
Freuden verhieß und viele Leiden verursachte. Das Orna-
ment im Sinne seiner modernen Erneuerer mußte sich
dagegen wehren, etwas von außen hereingetragenes, oder
angeklebtes zu sein. Es mußte sich, wenn es einen inneren

und äußeren Zusam-
menhang betätigen
wollte, als ein ästhe-
tischer Mehrwert aus
der Natur der Sache
ergeben und als eine
seelische Wirkung
darstellen, die der
zu schmückende
Gegenstand selbst
hervorgerufen hat.

Diese seelischen
Wirkungen suchen
an der Oberfläche
auszuschwingen und
werden aus orga-
nischer Notwendig
keit Linien von be-
stimmter Art, in
einem bestimmten
Rythmus, der Ge-
gensäße schafft und
Werte zusammen-
führt, genau so, wie
bestimmte Farben
ihren komplemen-
tären Wert ver-
langen und in einer
bestimmten, rhyth-
misch wiederholten
Reihenfolge solcher
harmonischer Far-
ben-Gegensäße eine
bestimmte seelische
Wirkung ergeben.
Es ist das impres-
sionistische Orna-
ment, das wir in den
Stoffen und Tapeten
van de Velde's, Lem-
mens und anderer
 
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