Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

DOI Artikel:
Lux, Joseph August: Die Erneuerung der Ornamentik,[2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0368

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION

dieses Kreises vor uns haben. In ihm schlössen sich
die Konsequenzen der Neo - Impressionistischen Farben-
lehre und des linearen Symbolismus zu einer höheren
Einheit zusammen. Die Sache sieht sehr konstruiert aus,
aber den Künstlern, die inmitten der Bewegung standen,
kam zu statten, dag sie als Erneuerer des Kunstgewerbes
von der Malerei ausgingen. Gerade diesem Umstand und
der extremen Lage, der sie als Maler angehörten, ist die
Entstehung der modernen Ornamentik zu verdanken. Nur
Kräften, die anfänglich außerhalb des Kunstgewerbes oder
der Architektur standen, konnte die Kühnheit und Ori-
ginalität einer Erneuerung gelingen, während gerade hoch-
begabte Architekten hinsichtlich der Ornamentik versagten.
Der disziplinierten Intelligenz eines Künstlers, wie van de
Velde, konnte es gelingen, alle gewerblichen Techniken, die
von der Architektur abhängig sind, geistig beherrschen zu
lernen, um ihre Bildsamkeit zu fördern. Der technische Aus-
druck seiner Möbel, Metallkörper, Beleuchtungsgegenstände,
Architekturen, hatte ein völlig neues Gesicht, das die über-
raschen und mächtig aufregen mußte, die zum erstenmal seinen
Gebilden gegenübertraten und nie geahnte Möglichkeiten
erblickten. Aber die Physiognomie des van de Velde'schen
Schnörkels oder Wellenstils, wie er vielfach genannt wurde,
oder nach Goncourt Jachtingstil, die sich zwar stets auf die
organische und konstruktive Logik seiner Gbilde berufen
konnte, läßt es bedauern, daß der Künstler nicht Brückenbau-
oder Schiffsingenieur, oder Verkehrstechniker, oder auch
Eisenkonstrukteur geworden ist. Denn als solcher hätte er
die Fähigkeit besessen, den modernen Baustoffen und den
Ingenieurgebilden das ästhetische Gepräge zu geben, dessen
sie bedürfen, um ihren Anspruch auf das eigentliche Archi-
tekturwesen unserer Zeit zu legitimieren. Die geschwungenen
Linien und die außerordentlich geistvolle Modellierung, die
van de Velde seinen Holzformen gibt und durch die er auf

eigene, originelle Weise die statischen und dynamischen
Elemente, die Lasten und Stüßen, das Tragen und Streben ver-
sinnbilden will, sind eigentlich Gleichnisse riesiger Verhält-
nisse, wo diese Kräfte wirklich spielen; sie scheinen aus der
Anatomie modernerEisenkonstruktion oder von Schiffsgebilden
hergeholt, weshalb der Ausdruck Jachtingstil wie ein Er-
kenntnisblirj gezündet hat. Die geistreiche Paraphrase auf
die Kräfte, die im Grunde des Gebildes nach persönlicher
Auffassung des Künstlers wirken sollen, erzeugt auf der Ober-
fläche ein schmuckhaftes Linienspiel, eine schöne Vorspiege-
lung und Versinnlichung konstruktiver Wirkungen zu rein
ornamentalen Zwecken, die das Künstlermöbel charakteri-
sieren und die durch ihr geistiges Leben fesseln, obschon wir
wissen, daß die Holzverbindungen und Mörtelverbindungen,
der ganze innere Aufbau unter dem ornamentalen Überbau
sich wesentlich einfacher vollzieht. Nach der Richtung der
Vereinfachung stehen alle Wege offen. Da ist auch der
Punkt, wo van de Velde sich grundsäßlich von den eng-
lischen Gewerbekünstlern und Kunsthandwerkern unter-
scheidet. Das künstlerische Möbel van de Veldes erlaubt
keine Weiterbildung. Es ist Anfang und Abschluß. Die
künstlerischen Möglichkeiten, die im Kunstgewerbe nach der
Richtung der Vereinfachung lagen, und die van de Velde
schließlich selbst betreten hat, sind im Anfang der
modernen Bewegung übersehen worden; das ist durchaus
begreiflich einer fascinierenden Erscheinung gegenüber, wie
die Kunst van de Veldes und angesichts der Tatsache, daß
es auch in der deutschen Bewegung die Maler waren, die
auf die Begründung einer dekorativen Kunst ausgingen.
Die moderne kunstgewerbliche Bewegung in Deutschland
ist in ihren Anfängen wesentlich von diesen zwei Strömungen
beeinflußt, von dem ornamentalen Stil unter der Spißmarke
van de Velde und später von der Handwerkskunst des
jungen England. Jos. aug. lux—Dresden.

WANDEL-HALLE IM KURHAUS ZU HOMBURG VOR DER HÖHE.
 
Annotationen