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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Zieler, Gustav: Moderne Bühnen-Dekoration
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0373

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INNEN-DEKORATION

ENTWURF UND AUSFÜHRUNG:
OBRONSKT, IMPEKOVEN & CTE. — BERLIN.

findet, ihr Können an lohnenden Aufgaben großzügiger Art
zu betätigen. Hier hat die Erfindungskraft Spielraum; jede
neue Inszenierung stellt neue Aufgaben. Wir stehen noch
in den Anfängen. An allen Ecken und Enden heißt es um-
lernen. Der Beruf des Regisseurs stellt heute ungeahnte
Anforderungen, und es fehlt vorläufig noch sehr an Kräften,
die eine genügend reiche Durchbildung genossen haben.
Bühnenpraxis, so unerläßlich sie ist, genügt längst nicht
mehr. Einblick in Probleme, an die der tüchtigste Fachmann
von früher nicht von fern dachte, wird notwendig. Wir
brauchen nicht so weit zu gehen, wie der übereifrige und
einseitige englische Bühnenreformer Gordon Craig, für den
die Inszenierung schließlich nur noch ein malerisches Pro-
blem bedeutete. Wir sollen vielmehr stets eingedenk bleiben,
daß die äußere Inszenierung nur Dienerin des Ganzen
bleibt, und daß Dichtung und Darsteller anderen Geseßen
der Wirkung unterworfen sind als ein totes Bild. Aber wir
sollen die Augen öffnen für die ungeahnten Wirkungsmög-
lichkeiten, die durch eine dem Bildungsstand des modernen
Menschen angepaßte Inszenierung der Bühnenwerke auf mo-
derne Zuhörer erreicht werden können. Damit reden wir dem
Überwuchern des Äußerlichen nicht einen Augenblick das
Wort. Wir wünschen nur, daß mehr lebendiger Sinn in
das Inszenierungswesen kommt, das heißt: wir bekämpfen
das Schablonenwesen. Die Inszenierungskunst ist in erster
Linie Raumgestaltungskunst und deshalb ist wohl kein
Ort so angemessen, um diese Frage zu erörtern, wie eine
Zeitschrift für Innen-Dekoration. Damit ist auch gesagt, daß
der Plastik in viel weiterem Umfange die Mitwirkung

Szene (Kemenate) aus Friedrich
Hebbel *Die

gestattet werden muß als jeßt, und daß nicht die Perspektive
so vergewaltigt werden darf, wie es jeßt gemeinhin geschieht.
Der vorhandene, geschlossene Bühnenraum soll so gestaltet
werden, wie es seine Geseße erfordern und dem Zuschauer,
der sich innerhalb dieses Raumes mit befindet, sollen keine
größeren Konzessionen bezüglich der Perspektive zugemutet
werden, als es die natürlichen Bedingungen erfordern. Wo
Illusionen nötig werden, da soll die moderne Technik alles
tun, um die Illusion möglichst vollkommen zu erzielen.
Wo Echtheit erzielt werden soll, ist auch Detailmalerei,
natürlich immer unter dem Gesichtspunkt der Bühnenoptik,
geboten. Natürlich muß die moderne Inszenierungskunst
ebensogut im Auge behalten, daß ihr Aufgaben gestellt
sind, wo jede Detailmalerei, wo Naturalismus der Aus-
stattung nur stören würde. Die hohe Tragödie, die sym-
bolistischen Dramen, die phantastischen Märchenstücke
erfordern einen andern Stil wie die historischen oder
naturalistischen.

Hauptzweck dieser Ausführungen soll sein, auf die Be-
deutsamkeit des Gegenstandes hinzuweisen, Augen
zu öffnen, wo es Not tut, Unzufriedenheit zu erregen, wo
Behaglichkeit, die Mutter des Rückschritts, waltet, Zweifel
zu wecken und auch Zweifel zu zerstören. Unsere Zeit, die
mit so schönem Erfolge für eine sinnvolle Umgestaltung
unserer Umgebung in der wirklichen Welt eingetreten ist,
soll auch für die sinnvolle Umgestaltung jener Welt des
Scheins eintreten, die uns die Dichtung vorführt, und für
die wir die Forderung der Echtheit und Wahrheit mit eben-
soviel Recht aufstellen müssen, wie für die Dichtung selbst.
 
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