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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Michel, Willhelm: Unser Verhältnis zum Hausgerät
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0390

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376

INNEN-DEKORATION

diese mit preziösen Gesten, stummen Anklagen und
unbequemen Mahnungen behelligen. Für ein ersprieß-
liches Verhältnis zwischen dem Hausherrn und dem
Hausgeräte ist durchaus nicht in erster Linie der
absolute Kunstwert des Apparates, der uns täglich
und stündlich umgibt, entscheidend. Wer sich selbst
genauer prüft, wird finden, daß es lauter Affektions-
werte sind, die uns den Schreibtisch, den Schreibstuhl,
den Bücherschrank, die Teekanne, den Briefbeschwerer
lieb und teuer machen. Der Kunstgewerbler hat
die Aufgabe, die Anbahnung eines solchen Verhält-
nisses nicht durch Vordrängen seiner eigenen
Person, durch pathetische, süffisante Geberden seiner
Erzeugnisse zu erschweren. Wohl dürfen die Gegen-
stände ihre eigene Individualität haben, wohl dürfen
sie jene dingliche Persönlichkeit aufweisen, die man
ja auch an den Erscheinungen der Natur, an Bäumen,
Felsen, Hügeln oft genug wahrnimmt. Aber diese
Individualität darf nicht starr und eindeutig auftreten,
sie darf uns die Möglichkeit nicht abschneiden
wollen, unsere eigenen Entdeckungen an den Dingen
zu machen. Sie muß sich mit jener Neutralität

paaren, die es zuläßt, daß wir uns die Geräte
unserer Wohnung nicht nur materiell, sondern auch
psychisch zu eigen machen. Die Wohnung soll eine
erweiterte Ich-Zone des Hausherrn sein, und diesen
Beruf können nur vornehm reservierte Innen-
Ausstattungen und Geräte erfüllen. Es ist durch-
aus nicht nötig, daß alles zu einander passe. Das
wäre ein schwächlicher Charakter, der alle Kon-
traste stilistischer Art zu vermeiden suchte. Des-
halb gilt uns nicht diejenige Wohnung als Ideal,
deren sämtliche Räume von einer und derselben
Hand stammen. »Stilvolle«, einheitliche Wohnungen
werden immer das Vorrecht solcher Menschen sein,
die keinen eigenen Stil, keine kräftig wirkende
Vitalität besitzen. Was dem Hauswesen seinen
ästhetischen Wert für Dritte gibt, ist lediglich die
Person des Herrn. Und Hans Thoma hat mit dem
oben zitierten Worte nur das Programm des guten
modernen Kunstgewerbes ausgesprochen, das durch
Reserve und Bescheidenheit der Formgebung Je-
dem die Möglichkeit gibt, seinen Charakter in seinem
Hauswesen auszuprägen. — wilhelm michel—München.
 
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