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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Migge, Leberecht: Miet-Wohnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0394

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380

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT WILHELM KEPPLER — BERLIN.

Schlaf• Zimmer. Rüster mit Grau Wassereiche-Intarsien.

als solches, wenn dieser Arbeit Segen Vorzug, »Schmuck«
der Reichen bleiben, wenn er nicht allgemein, wenn er
nicht selbstverständlich auch für den letzten wird 1

Man hat geglaubt — und folgerte dabei aus dem
Werden vergangener Style — daß unsere Bewegung
von Oben nach Unten seine naturgemäße Entwicklung
nehmen werde, und vergaß dabei zu berücksichtigen,
daß Ursache und Substrat damals und heute gar sehr
sich unterschieden. Man vergaß, daß die in einem
Menschenalter mit uns verwachsenen Schwären einer
öden äußerlichen Kultur von selbst unendlich träge nur
verheilen können, unterschätzte die demokratisch-selbst-
bewußten Eigenschaften des »gemeinen Mannes«. Gewiß,
nachgeahmt wurde auch hier, leider aber und ganz
natürlich nur im Sinne von »nachäffen«. Das Äußer-
liche ist auch hier, o Schrecken, nunmehr ja bald voll-
ständig — die Seele, der Grundstein ganz naturgemäß
vergessen. So nistet Lug und Trug im Hause des
Bürgers treulich heute wie ehedem. Heute wie ehedem
brüllt die Schloßfassade am Mietshause ihr eigenartiges
Willkommen, scheint der Erbauer im Treppenhause das
garantierte Einkommen der Benützer verhohnepipeln zu
wollen, sehn wir in der Wohnung voll Eintracht die
alten lieben Bekannten, die ökonomisch-bedeckte Plüsch-
garnitur, das umbaute Sofa, den Mahagoni-Fichtentisch,
das reichgegliederte Vertikow, den gußeisernen Blumen-
tisch und anderes, dazu auf jedem Ding die Konsölchen,
Nippes, Väschen und Stickereien, erkennen am Stuck
die Decke, am Öldruck und Herrscherhaus die Wand

und am »deutschen Perser« den Fußboden — heute wie
ehedem. — Wer die Mietskasernen unserer Großstädte und
der kleinstädtischen Gernegroße mit ihrer geschwollenen
Sprache im Äußern und im Innern, wer das Wohnen
unseres Arbeiters und Bürgers als Menschgenosse, als
Optimist für die Zukunft unsrer Rasse betrachtet hat,
dem muß die Vorstellung von der Notwendigkeit zur
Umkehr lebendig und stark werden: er muß daran
glauben. Und ist der Glaube erst allgemein, dann ist
das Vollenden nicht mehr fern. Dazwischen aber liegt
die Arbeit. Die wird auf diesem Gebiete nunmehr
sowohl anders geartet, als überhaupt intensiver denn bisher
sein müssen. Wenn nicht die praktischen Ergebnisse,
das Gebahren unsres »schlichten« Mannes zeigt allent-
halben deutlich, wie wenig er dem schlichten Kern unserer
Bestrebungen bisher beigekommen ist. Er weiß nichts von
Wahrheit, Sachlichkeit und Material, er kennt nur das Neue,
das »Moderne« und fordert — den Flitter seiner Hülle.

Deshalb wäre es an der Zeit und durchaus ver-
dienstvoll, einmal eine Ausstellung möglichst intimen
Charakters, zweckmäßig vielleicht eine Wanderausstellung
zu veranstalten, die der wahren Unterrichtung und
Aufklärung des Volkes in diesen Dingen allein gewidmet
wäre, eine Vereinigung alles Guten von dem, was heute
bereits auf dem Gebiete des Mietsbauwesens, des schlichten
Einzelhauses, was von billigen tüchtigen Möbeln, von zweck-
reinen Geräten und vornehm - einfachem Wohnungs-
schmuck uns erhalten ist, geschaffen wird oder werden
könnte. — Im Anschluß an diese Ausführungen sei es ge-
 
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