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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Widmer, Karl: Über künstlerischen Schmuck des Wohnraums
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0401

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INNEN-DEKORATION

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ist alles durch die moderne Maschinenarbeit nivelliert.
Wir kaufen unsere Geräte aus der Fabrik, nicht aus
der Werkstätte des Handwerkers. Und Fabrikware
bleibt Fabrikware. Auch wenn für die Entwürfe künst-
lerische Hände mitarbeiten, der Stempel der Maschine
haftet. Wir müssen den Verlust an künstlerischer Hand-
werkskultur auf andere Weise ausgleichen.

Hier sind aber gute Kunstwerke, soweit es sich
darum handelt, einem Wohnraum eine persönliche Note
zu verleihen, jedenfalls das wirksamste Mittel. Je mehr
sich unsere äußere Kultur nivelliert, desto notwendiger
werden sie als Ausgleich für die künstlerische Ver-
armung unseres heutigen Lebens. Die Bedeutung des
Kunstwerks als Schmuck des Wohnraums ist im Ver-
gleich zu früheren Zeiten eher gestiegen als gefallen.

Damit ist freilich die praktische Frage: wie ver-
schaffe ich mir künstlerischen Schmuck für meinen
Wohnraum ? noch nicht gelöst. Den Auserwählten des
Glücks, die Tausende für Meisterwerke zahlen können,
ist zwar leicht zu
helfen — voraus-
gesetzt, daß sie sich
helfen lassen wollen.
Aber die sind ge-
zählt. Und eben so
gezählt sind die,
denen es gegeben
ist, sich im Ver-
trauen auf das
eigene Urteil billi-
gere Quellen auf-
zuschließen als die
anerkannten Na-
men. So kommt
für unsere Frage
der Besitz von Ori-
ginalwerken kaum
in Betracht. Die
Frage läuft prak-
tisch darauf hinaus:
wie verschaffe ich
mir einen Ersatz
für die teueren Ori-
ginale ? — Dafür
bleiben im Wesent-
lichen zwei Quellen:
die vervielfältigen-
den Künste und das
Kunsthandwerk. —
Beim Kunsthand-
werk handelt es sich
natürlich nur um
Werke von aus-
gesprochen künst-
lerischem Charak-
ter, die den Hauch
persönlicher Arbeit
wahren. Das in-
dustrielle Massen-
kunstgewerbe — ob
Renaissancekopie
oder Jugendstil —
ist damit von vorn-
herein ausgeschlos- Architekt max landsberg.

sen. Und vor allem wichtig ist, daß der Materialwert
im Vergleich zum Kunstwert keine nennenswerte Rolle
spielt. Läugervasen, deren Preis bei dem wohlfeilen
Material und der einfachen Technik fast ausschließlich
durch die künstlerische Arbeit bestimmt wird, sind in
diesem Sinne eine viel wertvollere Bereicherung un-
serer künstlerischen Kultur als Arbeiten, denen eine
komplizierte Technik zugleich einen hohen materiellen
Luxuswert verleiht — wie z. B. die Vasen von Galle. —
Auch bei den Werken der vervielfältigenden Künste
gibt der Eindruck der unmittelbaren, persönlichen Leistung
den Ausschlag. Je näher sie dem Wesen der Original-
schöpfung kommen, desto besser. Darum verdienen
künstlerische Radierungen, Künstlersteindrucke, die an
sich für die Vervielfältigung geschaffen worden sind,
immer den Vorzug vor den Reproduktionen von
Gemälden. Man mißt doch unwillkürlich die Reproduktion
am Orginal, und bekommt damit den Eindruck von
etwas Minderwertigem, mechanisch hergestellten nicht

los. Ganz abge-
sehen davon, daß
die ewigen Licht-
drucke nach be-
rühmten Gemälden
von Böcklin, Tho-
ma od. Rembrandt,
die uns heutzutage
auf Schritt und
Tritt verfolgen, die
Orginale samt sei-
nen Reproduktio-
nen so gründlich
entleiden können,
wie populäre Melo-
dien, die auf allen
Drehorgeln zu Tod
geleiert werden.
— Und dasselbe
Schicksal haben die
Gipsabgüsse nach
berühmten Skulp-
turen : die bronzier-
ten u. gelbgetönten
Donatello - Büsten,
antiken Hermes-
köpfe und Venus-
statuen. Ein so
vornehmer u. apar-
ter Schmuck für
einen Wohnraum
eine künstlerische
Originalplastik ist,
so unfein, schundig
wirken diese Mas-
senartikel einer bil-
ligen Reproduk-
tionsindustrie. Sie
riechen förmlich
nach dem Waren-
haus. — Noch aus
einem andern Grun-
de ist Reproduk-
tionen gegenüber

Brunnen im Zigarren-Laden. eine doppelte Vor-
 
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