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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0024

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16

I. Die Schacht grab er

und der Plattenring

Entgegen früheren Annahmen haben die englischen Ausgrabungen eine Be-
siedlung von Mykenai seit frühhelladischer Zeit, also mindestens seit der Mitte
des III. Jahrtausends vor Chr., erwiesen (oben S. 10 Anm. 2). Die älteste Ort-
schaft scheint vor allem auf der obersten Kuppe gelegen zu haben, wo sich später
der mykenische Palast erhob. Ihre Ausdehnung ist noch keineswegs festgestellt.
Daß sie keine geringe war, lassen die Ergebnisse der Grabungen von Tiryns ver-
muten, wo die entsprechende alte Siedlung nicht nur den ganzen Burghügel mit-
samt der später unbewohnten Unterburg einnahm, sondern sich auch noch ein
beträchtliches Stück in die Ebene erstreckte. Indessen scheinen in Mykenai auf
dem Gebiete der Schachtgräber höchstens einzelne frühhelladische Hütten gestan-
den zu haben. Denn bei den Grabungen sind hier zwar überall in den tiefsten
Schichten frühhelladische Scherben gefunden worden — sie zeigen z. T. sogar ein
älteres Gepräge als die von Tiryns und gleichen den frühesten Funden von Korakou
bei Korinth und Zygouries bei Kleonai (Biegen, Korakou S. 4ff., llOff.; Zygouries
S. 76ff., 209ff.; Wace, a. a. O. S. 114) — aber nirgends sind größere geschlossene
Scherbenmassen, ganze Vasen oder Mauerreste aus dieser Periode zutage gekommen,
obwohl das ganze Gelände nunmehr aufs genaueste erforscht ist. Und dasselbe gilt
für die mittelhelladische Periode (etwa 2000—1600 v. Chr.), aus der höchstens ein
paar kleine Mauerstücke stammen (Wace Taf. I Nr. 21, 40—41, 61), deren Alter je-
doch auch nicht feststeht. Der leicht zu verteidigende Burgberg hörte eben gerade
über der Konglomeratlehne auf; es war nur folgerichtig, daß man darunter ohne
Not keine Häuser erbaute.

Freilich wissen wir gar nichts über die Befestigung von Mykenai zu jener
frühen Zeit. Dagegen ist ein recht ausgedehnter, mittelhelladischer Friedhof hier
nachgewiesen, wenn auch jüngere Bauten vieles zerstört und die Grenzen der Ne-
kropole verwischt haben. Sie griff wohl einst über die spätere Ringmauer hinaus.
Innerhalb des Plattenringes hatte schon Schliemann einige bescheidene, offenbar
mittelhelladische Gräber gefunden: fünf daraus stammende Vasen (oben S. 10
Nr. 156—160, Taf. CLXVI), die später irrtümlich Grab III zugeteilt wurden,
gestatten eine annähernde Datierung ins XVII.—XVI. Jahrhundert. Stamatakis hat
dann vier weitere solcher einfachen Felsgräber in der Osthälfte des Gräberrundes
aufgedeckt (Tsuntas, Mvxrjvai 116), und die englischen Grabungen ergaben deren
noch fünf in den Ruinen der südlich angrenzenden Häuser. Es sind durchweg
flache, in den weichen Felsen getriebene Gruben von bescheidenen Abmessungen.
Wo das Skelett erhalten war, lag es in der bekannten Hockerstellung auf seiner
rechten oder linken Seite. Beigaben fehlen in den von Wace geöffneten Gräbern
ganz, bis auf eine merkwürdige Schüssel aus rotpoliertem Ton mit zwei Knick-
henkeln1). Sie gehört zeitlich mit den eben erwähnten Vasen Schliemanns zusam-
men und beweist erneut, daß es sich um mittelhelladische Gräber handelt, freilich
aus einer späten, den Schachtgräbern schon nahe gerückten Phase dieser Periode.

J) Einzelne Scherben fanden sich mehrfach; sie sind später in die eingestürzten Gräber eingedrungen.
 
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