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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0025

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2. Umgebung und Gestalt der Gräber

17

Das fast völlige Fehlen gleichzeitiger Mauern raubt uns jeden Anhalt für die
Beziehung von Gräbern zu Häusern in dieser Zeit. Auch Tiryns wirft kein Licht
auf diese Frage. Wohl sind dort auf der Burg wie in der Unterstadt mehrfach
ähnliche Hockergräber zutage gekommen, deren Tiefenlage sie als vormykenisch
erweist; aber der Mangel an Beigaben verbietet meist eine genauere Datierung, und
nirgends läßt sich mit Bestimmtheit entscheiden, ob die Gräber zwischen oder gar
in zeitgenössischen Häusern angelegt waren oder in den Ruinen einer zerstörten
älteren Siedlung. Das Problem besitzt eine große Bedeutung für das Verhältnis
der mittelhelladischen Hockergräber zu den Schachtgräbern. In diesen erkennt
man gemeinhin die organische Fortentwicklung jener. Auch Wace spricht sich
noch mit Entschiedenheit in diesem Sinne aus. Und doch scheinen mir die Unter-
schiede sehr viel schwerwiegender zu sein als die einzige Analogie, daß beide in
den weichen Felsen getriebene, annähernd rechteckige Gruben sind.

Die „Hocker" lagen vielleicht zwischen gleichzeitigen Häusern, die Schacht-
gräber zweifellos außerhalb der Siedlung, an einem für sie freigehaltenen Platze.
Für jene sind enge Gruben ausgehoben, in die sie knapp hineingezwängt werden
konnten1): diese bieten zumindest (Grab II) Raum für einen lang ausgestreckten
Toten und zahlreiche Beigaben, fast immer sogar für zwei oder drei Leichen, sie
wachsen sich mehrfach zu geräumigen, unterirdischen Gelassen aus (I, IV, V)2).
Selbst das von Wace unter dem sog. Kornspeicher, nördlich vom Plattenring neu
entdeckte Grab, das ich nicht zu den Königsgrüften rechnen möchte, übertrifft die
mittelhelladischen Gruben bei weitem an Größe: L.2,07, Br. 0,80-0,85, T. 1,20m.
Das Entscheidende ist dabei die Länge, die offenbar auf einem Wandel der Be-
stattungssitte beruht: an Stelle der Hocker lang ausgestreckte Leichen. In Grab V,
wo der Raum knapp war, lagen die drei Toten mit auf die Brust gepreßten Köpfen,
jedoch auch auf dem Rücken ausgestreckt. Endlich besteht ein grundlegender Gegen-
satz zwischen dem fast völligen Fehlen der Beigaben in mittelhelladischen Gräbern
— das nur durch den Ritus, nicht durch Armut erklärt wird — und der reichen
Ausstattung auch einfacher Grüfte der folgenden Periode. Es ist irreführend, hier
Fürsten- und Volksgräber einander gegenüberzustellen. Von 1600 bis 1200 v. Chr.
bleiben vornehme und einfache Bestattungen in den Grundzügen einander gleich.
Der tiefgreifende Wandel, den die Schachtgräber von Mykenai als
älteste uns bekannte Vertreter ihrer Art bezeichnen, beruht viel-
mehr offenbar auf einer anderen Auffassung der Pflichten gegen-
über den Toten. Eine neue Kulturperiode läßt sich hier feststellen. Und es ist
natürlich besonders wertvoll, daß sie uns gleich in unversehrten fürstlichen Grüften
entgegentritt.

Diese Grüfte — offenbar einem Herrscherhause gehörig — wurden eng bei-

Wace gibt folgende Maße an: 1,26X0,77X0,50; 1,19X0,70X0,20; 0,85X0,60X0,20; 0,75X0,29X0,30 (Kindergrab).
2) Grab I: 5,50X2,80; II: 3,05X2,15; III: 3,70X2,70; IV: 6,55X4,10; V: 5,77X2,85; VI: 3,15X1,85. Wie die
Pläne lehren, sind es keineswegs regelmäßig rechteckige Gruben.

3 Karo, Schachtgräber
 
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