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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0031

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2. Umgebung und Gestalt der Gräber

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führen, und davon fehlt jede Spur. Ganz gewiß waren solche hier niemals vor-
handen, sonst müßte wenigstens ihr Anschluß am Unterbau der Schwelle nach-
weisbar sein. Die von Tsuntas einst vertretene Ansicht, der Plattenring sei bloß die
Begrenzung, die Krepis eines über den alten Gräbern aufgeschütteten Tumulus, ist
vollends unhaltbar. Der Eingang hätte dann einfach in einen Erdhaufen geführt,
wäre also sinnlos gewesen. Zudem wären dann die noch stehenden Platten durch
den Erddruck gewiß nach außen geneigt, während heute das Gegenteil der Fall ist.

Es bleibt also nur folgende Erklärung: Man wollte die alten Fürstengrüfte zu
einem einheitlichen runden Grabbezirk zusammenfassen. Wo der Fels im Osten,
Norden und Süden hoch genug anstand, planierte man ihn aufs sorgfältigste (die
Niveau-Unterschiede an der Sohle der Platten betragen bloß 5 cm!) und errichtete
in Felslehren den doppelten Plattenring. Im Westen machte der Abfall des Gelän-
des eine starke Stütz- und Böschungsmauer notwendig, deren Oberkante indessen
beträchtlich tiefer gelegt wurde als das Felsplateau. Die eben hervorgehobene Sorg-
falt schließt hier Zufall oder Unfähigkeit der Erbauer völlig aus. Man wollte die
westliche Hälfte des Ringes tiefer stellen, offenbar um die Gesamtwirkung der Um-
friedung dem Gefälle des Abhangs anzugleichen. Ob der Niveau-Unterschied durch
eine Abstufung des Plattenringes oder durch eine allmähliche Schräge ausgeglichen
wurde, läßt die starke Zerstörung gerade der westlichen Hälfte nicht mehr erkennen.
Wace hat in seiner Rekonstruktion (Taf. XVIII, danach Abb. 6) die zweite Lösung an-
genommen, wie ich glaube mit Recht. Wohl sind Abtreppungen für Kreta gesichert
— z. B. an der Zugangsrampe von Hagia Triada oder dem monumentalen Südauf-
gang von Knossos1); sie werden auch auf demselben Schaubilde von Wace für die
mykenische Rampenmauer einleuchtend ergänzt. Jedoch eignen sie sich für den
Plattenring zweifellos viel weniger gut als eine einheitliche sanfte Schräge.

Im Innern des Ringes hat man damals den alten Zustand auch nicht unver-
ändert bestehen lassen. Die Platten, welche Schliemann 2—3 Fuß tief unter den
zur Zeit seiner Grabung noch stehenden Grabstelen fand, bezeugen offenbar eine
ältere Periode, in der die Stelen unmittelbar über den Grüften standen (Abb. 5).
Bei der Neugestaltung des ganzen Platzes hat man also einige Aufschüttungen vor-
genommen und die alten Grabsteine nun auf höherem Plane wieder aufgestellt.
Die Ursache hierfür ist leicht erkennbar. Es galt, den alten Königsfriedhof für den
Totenkult zugänglich zu erhalten; dazu mußte die Ungleichheit des Geländes
einigermaßen ausgeglichen werden. Im einzelnen läßt sich dies bei der argen Zer-
störung des ganzen Gebietes nicht mehr verfolgen. Daß der Kult bis ans Ende der
mykenischen Kultur fortgelebt hat, beweisen die Funde beim Altar, in der von Ke-
ramopullos entdeckten Höhle und auch an anderen Stellen des Gräberrundes (S. 19).

Die Innenseite der großen westlichen Stützmauer war bei der Ausgrabung so
baufällig, daß sie von Schliemann und Stamatakis fast völlig neu wieder aufgebaut

x) Hagia Triada: Maraghiannis, Antiquites eretoises I 6. Knossos : A. Evans, Journal R. Inst. Brit. Architects XXXVI
1928, 93 Abb. 2.
 
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