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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0264

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256

III. Ergebnisse

Kantharos 942, CLXXIII die unverfälschte Tradition der Argolis; er läßt sich
nicht trennen von den entsprechenden Exemplaren aus Grab IV, 611—614, und
den beiden in der Technik gleichen kleinen Amphoren 615 (auf Taf. CLXXI ist
die eine irrig mit 614 bezeichnet). Bei diesen glaubt man in der Form des Halses
minoische Anklänge zu erkennen, aber der Eindruck hält bei näherer Prüfung des
kretischen Materials nicht stand. Daß Grab IV sonst nur noch die beiden oben er-
wähnten Vorratsgefäße 590/1 enthielt, beweist natürlich nichts für sein Alter; denn
gerade diese reichste Gruft barg die kostbarsten Gefäße rein minoischer Kunst aus
Edelmetall, die nach ihren Formen aus SM. I, nicht aus MM. III stammen (vgl. oben
S. 231 ff.).

Schwieriger ist es, ein Urteil über die Tongefäße aus Grab V zu gewinnen. Die
kugelige Kanne 857 scheint eine lokale Nachahmung von Stücken wie 946 ff. zu
sein. Ganz für sich steht, nach Form, Technik und Ornament, der schwere, plumpe,
bunt bemalte Topf 858, CLXXII; da Analogien fehlen, wird man kaum eine nähere
Datierung wagen. Er mutet sehr altertümlich an, kann aber aus einer besonders
zurückgebliebenen Gegend oder von einem rückständigen Töpfer stammen. Da-
gegen ist das große, dreihenklige Vorratsgefäß 856, CLXXII, offenkundig eine
keineswegs sklavische Nachahmung von Vorbildern aus dem Anfang von SM. I.
Man vergleiche bloß die Gestaltung der Spiralbänder mit denen von 221: hier
lebendig sich aufrollendes Rankenwerk, dort eine Annäherung an spiralig ver-
bundene, konzentrische Kreisgruppen, wie sie auf den Goldplättchen geläufig sind
(unten S. 265 f.). Auch die plastische Riefelung des Halses von 856 ist unminoisch
und erinnert vielmehr an Minysches. Nach alledem mag man die Tongefäße des
V. Grabes eher einer früheren als der letzten Beisetzung zuweisen. Genaueres läßt
sich nicht sagen.

Grab III enthielt außer den feinen Fayencegefäßen (oben S. 242 f.) bloß den
mykenischen Napf 156, CLXVI, den man weniger früh ansetzen wird als die
bisher behandelten Vasen. Für die Form hat Evans II 512 Abb. 315 Analogien zu-
sammengestellt. Zum Ornament vergleiche man Excav. at Phylakopi, Taf. 31, 15/6;
Inst. Phot. Tiryns 711 (gleiche Form 828). Echt kretisch ist auch unser Napf nicht.
Grab III bietet unter den Goldsachen neben altertümlichen Stücken wie 53—59.
63—68, XXf. 2, 4. 18, XXVIII, auch jüngere wie 23/4, XXI. 75, XXX. 119/20,
XXXIII; zu diesen wird 156 gehören.

Endlich Grab I: es enthielt zwar drei Leichen, aber die vollkommene Einheit-
lichkeit des aus denselben Formen gepreßten Goldschmucks beweist, daß sie ziem-
lich zur gleichen Zeit beerdigt sein müssen. Demnach lassen sich aus äußeren Grün-
den auch keine zeitlichen Unterschiede innerhalb der Beigaben erschließen; und
dazu paßt vortrefflich die geschlossene Gleichartigkeit der Tongefäße. Altertümlich
mutet zunächst die Tasse 197, CLXVIII an, Nachahmung eines SM. I Vorbildes von
offenbar recht ungeübter Hand. Aber sowohl die Blüten der Außenseite wie vor
allem die Nautili innen führen uns bereits ans Ende jener Periode, wenn nicht
 
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