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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0265

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I

9. Die Tongefäße 257

gar über diese herab1). Sehr viel höher steht die große Kanne 199, CLXIX, die Sir
Arthur Evans für echt minoisch hält, während ich mit Mackenzie und Wace eine
ausgezeichnete Nachahmung annehme; dafür scheint mir sowohl die Form zu spre-
chen, für die ich in Candia kein ganz genaues Gegenstück gefunden habe2), wie das
Ornament, das zwar, wie Kurt Müller in seiner meisterhaften Behandlung der
Keramik von Kakovatos erwiesen hat (AM. XXXIV 1909, 307 ff.), auch auf Kreta
häufig ist (Evans II 484 ff.), aber doch nicht in der hier vorliegenden, reichen Aus-
gestaltung (vgl. 'Aq%. 'Eq). 1914, Taf. 2). Ähnlich steht es mit der Gruppe kleiner
Kratere 190—196, CLXVII. Die Formen sind natürlich minoischen Ursprungs,
aber in dieser Profilierung habe ich sie auf Kreta ebenso vergeblich gesucht, wie
die muschelartig verkümmerten Doppelbeile, eine auf dem Festland geradezu
typische, mißverstandene Umgestaltung der in der minoischen Kunst stets klar
wiedergegebenen, heiligen Waffe3). Auch die gegitterten Blätter von 196 kehren
unter dem festländischen Material häufig wieder. So spricht alles dafür, diese
Vasengruppe ans Ende der frühmykenischen Keramik anzusetzen; sicher stellt sie
die jüngste Phase unter den Firnisgefäßen der Schachtgräber dar. Indessen kann
ich Evans nicht folgen, der sie, wie er mir freundlichst mitteilt, geradezu an die
Grenze von SM.II und III herabrücken will. Auch die beiden Fayencetöpfe 201/2,
CLXVIII erinnern am ehesten an ägyptische oder ägyptisierende Alabastergefäße,
wie sie in einem Kammergrabe, zusammen mit Keramik vom Ende des Älter-
mykenischen, vorkommen (R. Bosanquet, JHS. XXIV 1904, 325 ff., Taf. 14), frei-
lich auch im Grabe von Isopata, das schon dem Beginn von SM.II angehört (Evans,
Prehist. Tombs 146 ff., Taf. 99). Für die Datierung der Vasen aus Grab I hilft
auch der mattbemalte, zweihenklige Becher 198, CLXVIII nicht weiter: er ent-
stammt zwar nach Form und Ornament (dazu unten S. 284) einer altertümlichen
Tradition der Argolis, doch wissen wir nicht, wie lange sich diese noch neben den
im XVI. Jahrhundert neu eindringenden Gattungen erhalten hat.

Überblicken wir die Keramik der Schachtgräber, so fällt das Schwankende, Un-
gleiche und die fast verwirrende Fülle der Arten und Abarten auf. Alteinheimisches
in wechselnder technischer und ornamentaler Prägung steht neben echt Minoischem
(bloß das eine Rhyton 221!) und Nachahmungen sehr verschiedener Richtung und
Qualität'). Dazu kommen fremdartige Importstücke, wie sie später nicht mehr

') Vgl. zu den Blüten JHS. XXIII 1903, Taf. 6 f. XXIV 1904, Taf. 11; zu den Nautili ebda. Taf. 12; Biegen,
Korakou 55 Abb. 76, Taf. VI 1. Zur Verteilung der Muster, nicht ganz richtig, Matz, Frühkret. Siegel 143 f.

*) Sehr ähnlich z. B. Bossert Abb. 153. 170; Boyd-Hawes, Gournia Taf. I 19. VIII 17; FM. Vorstufen Taf. B. E.

3) Evans erinnert sich allerdings einer unveröffentlichten knossischen Scherbe, auf der das Doppelbeil ähnlich
verkümmert erscheine wie auf unseren Krateren: eine so vereinzelte Ausnahme ist aber für deren minoische Herkunft
nicht beweiskräftig. Andere Beispiele Furtwängler-Loeschcke, Myk. Vasen XXVI 193 (191/5 die kretische Form);
Inst. Phot. Tiryns 518. 522.

4) Wer mit Abbildungen dieser „minoisierenden" Vasen in der Hand die Säle des Museums in Candia mustert,
wird überrascht darüber sein, wie sehr der erste Eindruck engster Verwandtschaft bei näherem Zusehen dem der Ver-
schiedenheit weicht, vor allem in den Formen, aber auch im Ornament.
 
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