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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0289

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10. Das Ornament

281

Aber auch diese Muster bleiben sozusagen auf dem Wege zur eigentlichen, freien
Spiralranke stehen; diese zeigt in unserm Material nur das Scheidenblech 690,
LXXXIII f. Gegenüber der Blattranke der Firniskanne 945, CLXXV ist jene frei-
lich noch ganz linear gebildet. Das entgegengesetzte Extrem stellt die große Prunk-
nadel 75, XXX dar, auf der die Papyruszweige zu einreihigen Blätterkanten, ihre
unteren Schaftblätter zu zwei Paaren von Doppelvoluten zurück gebildet sind: der
einzige Fall dieser Art in dem gesamten Inhalt der Schachtgräber.

Im Verlaufe dieser Untersuchung ist mehrfach auf pflanzliche Motive hinge-
wiesen worden. Abgesehen von kleinen Zweigen und Blüten, die als Füllmuster
auftreten und im nächsten Kapitel besprochen werden sollen, ist auch einmal ein
Ring solcher einzelner Blättchen auf Goldknöpfen zu sehen (337, LX). Aus ihnen
mag das durchbrochene Netzmuster entstanden sein, das der Nadelkopf 69, XX,
die Ohrringe 61, XX, vor allem aber der Dolchgriff 294, LXXXVII f.1) zeigen.
Ebenso ist auf einigen der Goldplättchen 20, XXVIII ein Teil des Musters durch
eingeritzte „Fischgräten" als Blättchen derselben Art bezeichnet. Als Naturform
mag das Ölbaumblatt zugrunde liegen. Eine abweichende, gekrümmte Gestalt be-
sitzen die Blätter der so häufigen Zweige und Kanten; auch über sie, die Blatt-
sterne und Rosetten s. unten S. 290 f.

Schon oben S. 259 Anm. 1 ist hervorgehoben worden, wie wenig die früh-
mykenische Kunst der Schachtgräber geradlinigeMuster verwendet. Diese
wenigen sind aber zudem noch alle überaus dürftig, abgesehen von denen des Stirn-
bandes 236/9, XXXIX, das man als fremdartig ausscheiden kann (oben S. 264),
und dem gleich zu besprechenden Mäander. Zu der einfachen Strichelung als Rand-
muster, auf der Krone 230, XLI, kann man quergekerbte Ränder stellen5), sowie
die entsprechende Verzierung des Fußes und mittleren Rundstabes an einigen
Goldgefäßen3); jedoch zeigt diese mehrfach das deutliche Bestreben, eine gedrehte
Schnur nachzuahmen, und zudem ist ein so einfaches Muster auf einer so fortge-
schrittenen Entwicklungsstufe ebenso selbstverständlich und für den Stil belanglos
wie die wagrecht profilierenden Riefen und Leisten von 73 f., CHI. 122, CV. 351,
CXI, oder der Alabastergefäße auf Taf. CXXXVIIP). Ich verzeichne diese Kleinig-
keiten nur deshalb so genau, weil ihre geringe Zahl für die Abneigung gegen alle

*) Das in den Schachtgräbern sonst ganz unbekannte Schuppenmuster des Hefts soll offenbar die Federn der
Adlerhälse andeuten.

2) Am schönsten 838 S 135 Abb. 50. Ferner 492, CII (auf 493 daneben durchaus krummlinige, geschweifte
Kerben). 808 ff., CXLVI. 651,CXLIf. Halsprofile: 855,CXXXIV. 567,CXLI f. Henkel: 511, S. 111 Abb.40.608,CXXXII.
Quergekerbte „Pfeiler" auf den Goldbechern 627 f., CXXIIIf. 220, CLXX. Längsriefen auf dem Rande des großen
Silbergefäßes 605, CXXVIII.

3) 74, CHI und die in der vorigen Anm. genannten Goldbecher.

4) Natürlich meine ich dabei die Riefen als Einzelornamente. Daß die Profile, vor allem der mittlere Rundstab
(73, CHI. 441, CVIII. 627 ff., CXXIIIff. 220, CLXX. 912, S. 161 Abb. 78) und die breiten Kanelluren (392/3, CIV.
442, CVIIf. 855, CXXXIV. 887, S. 153 Abb. 72) für Aufbau und Rhythmus der Gefäße bedeutsam sind, versteht sich
von selbst. Vgl. oben S. 260.
 
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