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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0295

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10. Das Ornament

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nung der Muster innerhalb des verfügbaren Rahmens, einheitlich kymatischer
Rhythmus.

Dies alles läßt sich auch von den Goldknöpfen ablesen, wenigstens von
ihrer übergroßen Mehrzahl. Es bleibt allerdings eine Gruppe1), die jene Sauberkeit
der Ausführung ebenso vermissen läßt wie das sichere Stilgefühl, das sonst in der
Auswahl der Muster und der Beschränkung auf wenige, gelungene Typen waltet.
Statt dessen finden wir in jener Gruppe einerseits eine unsichere, saloppe Arbeit,
anderseits eine überreiche Phantasie, die sich in eigenartigen Verbindungen alter
und neuer Muster nicht genug tun kann. Diese Goldbleche muten wie originelle
Versuche an. Merkwürdigerweise ist auch von jedem Muster nur ein Exemplar
vorhanden, und alle entbehren des beinernen Knopfes; bloß die Goldbleche sind
erhalten. Wiederum, wie schon oft, spüren wir hier fremden Einschlag. Woher
kommt dieser, was ist am Ornament bodenständig? Diese schwersten Fragen har-
ren noch der Antwort.

Unsere Kenntnis minoischer Ornamentik ist nach Evans vor allem durch
Friedrich Matz entscheidend gefördert worden. Ihm verdanken wir es ins-
besondere, daß der Einfluß des alten Orients klar zutage tritt, während der ägyp-
tische verhältnismäßig gering erscheint"). Aber der eigentliche Stilcharakter Kre-
tas bleibt dem allen gegenüber in weitem Umfang selbständig, vor allem in seinen
grundlegenden Stiltendenzen; diese faßt Matz (169 f.) zusammen in den
Begriffen des Wirbels, der Torsion, des Rapports. Er weist dann nach,
daß in Ägypten diese erst im Mittleren Reich auftauchen, nicht vor dem Neuen
Reich, also zu einer Zeit stärksten minoischen Einflusses, eingebürgert sind; die
altorientalische Ornamentik aber entbehrt erst recht jener spezifischen Stiltenden-
zen. Matz (197 ff.) findet sie in der alteuropäischen Kunst, vor allem der Balkan-
und Donauländer, wieder und bestätigt damit die von Hubert Schmidt, Schuch-
hardt und Menghin schon seit Jahren aufgestellte allgemeine Theorie, welche
jüngst für die Spiralverzierung von Jenny und Boehlau im einzelnen ausgebaut
worden ist3). Man wird nicht länger zweifeln können, daß die ägäisch-minoische
Ornamentik in der Frühzeit des III. Jahrtausends ihre entscheidenden Anregun-
gen nicht von Süden oder Südosten empfangen hat, sondern, abgesehen von dem
noch zu wenig bekannten Anatolien, von dem späten Neolithikum und der ältesten
Kupferbronzezeit Europas.

Damit ist eine überaus wichtige Grundlage gewonnen. Nun muß auf ihr auf-
gebaut werden. In den erwähnten Arbeiten wird die gesamte frühe Kunst der

325—331, LIX. 692—707, LX1V f., sowie einige der kleinen Knöpfe 708—722.

2) Nach Matz wohl allzu gering; vgl. die wichtige Besprechung von M. Nilsson, Gött. gel. Anz. 1930, 62 ff.; ferner
B. Schweitzer, Gnomon IV 1928, 601 ff.; M. Pieper, OLZ. 32, 1929, 80ff.; Sp. Marinatos, DLZ. 1928, 1564ff.

3) H. R. Hall, Scarabs, British Museum Guide 1929, nimmt sumerische Herkunft der Spirale an, M. Pieper in
seiner Besprechung, OLZ. 33, 1930, 116 ff. läßt sie aus dem Donaukreis über die Ägäls vor der XII. Dynastie nach
Ägypten gelangen.

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