Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0297

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
10. Das Ornament

289

Rücksicht auf Rahmen und Träger, Vermeiden unnützer Füllsel. Die strenge Ge-
bundenheit dieser Ornamentik, die vor allem auf Kreis und Spirale beruht, führt
einerseits zu den Goldsachen von Troja II, anderseits nach B u t m i r bei Sara-
jewo1). Boehlau hat (S. 60 ff. 73 ff. Taf. 11 f.) die Bedeutung dieser bosnischen
Spiralornamentik sehr stark betont und in ihr den Ursprung der ägäischen er-
blickt — wohl mit zu großer Beschränkung auf eine einzige Quelle. Da aber, wie er
treffend bemerkt, Butmir nicht Vasen, sondern Feuersteingerät „fabrikmäßig"
produzierte und dafür Tongefäße einhandelte, können wir noch nicht sagen, woher
diese stammen und wie umfangreich jenes künstlerische Hinterland der Ägäis sein
mag. Hier liegt eines der wichtigsten Probleme der in jeder Hinsicht so aussichts-
reichen jugoslawischen Bodenforschung2)- Man mag im besonderen noch auf die
Verwandtschaft unserer Pfeilspitzen mit denen von Butmir3) hinweisen. Vergleicht
man nun noch die Beziehungen der ägäischen Spiralornamentik zur balkan- und
donauländischen, so bleibt kaum ein Zweifel an ihrer Herkunft. Noch sehr viel
klarer würden wir sehen, wenn uns nicht die wichtigsten Träger und Verbreiter
jener Ornamentik, Gewebe, Stickereien, Flechtwerk, restlos verloren wären.

Die Schachtgräber fallen in eine schon recht vorgeschrittene Zeit. Die ersten
Einflüsse nördlicher, aber auch anatolischer und kretischer Kunst auf Inseln und
Festland lagen Jahrhunderte früher, desgleichen die ersten Wellen „achäischer"
Einwanderung in Griechenland. So dürfen wir nicht erwarten, noch viel unver-
fälscht Ursprüngliches hier zu finden. Es kann sogar überraschen, daß sich unter
und neben dem übermächtigen minoischen Einfluß noch so viel Andersgeartetes
behauptet hat. Manches davon ist gewiß aus kykladisch-frühhelladischer Tradition
geschöpft — wie viel werden wir erst erfahren, wenn das bisher kaum erforschte
Material durchgearbeitet und hoffentlich durch neue Funde bereichert ist. Schon
jetzt erkennt man, daß einerseits der starke kymatische Grundton der frühmykeni-
schen Ornamentik deren Rhythmus bestimmt, anderseits die Ablehnung alles Re-
gellosen, Zufälligen, „Impressionistischen". Daneben ist das Spiel der Phantasie
nicht zu unterschätzen; aber es ist stets, wo nicht minoische Einflüsse überhand-
nehmen, der strengen Regel Untertan.

Vor manchen Ornamenten aus den Schachtgräbern, vor allem vor den Knöp-

*) Dörpfeld, Troja und Ilion I 352 Beil. 43; vgl. 278 f.; Fiala-Hoernes, Die neolith. Station v. Butmir I Taf. 5.
II Taf. 6. 8 f.; Hoernes-Menghin, Urgesch. d. Kunst3 281 ff.

2) M. Vassic hat in der Festschrift für Bogdan Popovic (Zbornik u. cast B. P., Belgrad 1929, 295—316; eine
Wiedergabe des Inhalts verdanke ich F. v. Reiswitz) Butmir wesentlich jünger angesetzt als es sonst üblich ist, nämlich
erst in mykenische Zeit. Das ändert indessen kaum etwas an unseren Folgerungen. Statt Butmir selbst müßte dann
einfach eine ältere Entwicklungsphase des Ursprungsortes seiner Keramik eingesetzt werden.

3) Butmir I Taf. 10. 13 f. II Taf. 19. Allerdings sind diese Stücke anders geformt und viel primitiver als unsere
kleinen Meisterwerke und ähnliche aus den Kuppelgräbern. Eine vereinzelte, altertümliche Pfeilspitze aus Mykenai
(Nat. Mus. 2339, roter Feuerstein, aus Grab 29 von Tsuntas' Grabungen 1887/8). Eine frühhelladische Vorstufe unserer
Obsidianpfeile bei H. Goldman, a. a. O. 205 Abb. 276, 4, mittelhelladische 208 Abb. 280, 2. 12 f., eine neolithische aus
Biegens Grabungen beim Heraion von Argos (Form wie Butmir).
 
Annotationen