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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0303

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12. Darstellungen von Tieren

295

tritt gerade bei den Löwen klar zutage; man kann sie in allen Stadien auf unseren
Darstellungen verfolgen. Näheres darüber Arch. Jahrb. XXVI, 1911, 253 ff.

Im Vergleich zu jenen beiden kleinen Prachtstücken mutet sogar die Dolch-
klinge mit der Löwenjagd eher schematisch an. Gewiß sind die Bewegungen der
Tiere und Menschen, das Einfügen der zahlreichen Gestalten in die schmalen,
langgestreckten Dreiecke der Schmuckplatten meisterhaft gelungen; aber wenn
man die einzelnen Löwen betrachtet, wirken sie ein wenig matt, vor allem der
gegen die Jäger anstürmende und die beiden, welche im typisch minoischen „flie-
genden Galopp" davonrennen1). Während die Insiegel den Eindruck unmittelbar
originaler Schöpfungen machen, könnte man sich die Bilder der Dolchklinge wohl
als Nachbildungen ausgezeichneter Vorbilder denken. Selbstverständlich aber ist
das Jagdbild der Grabstele 1427, VII nur ein Nachklang eines solchen Vorbilds.
Der Gegensatz zwischen der von diesem übernommenen lebendigen Bewegung und
der unbeholfenen Ausführung fällt sofort auf. Zu der mutmaßlichen Art solcher
Vorbilder unten S. 297.

Eine ganz ausgezeichnete Leistung ist das Goldblech 295 a, LXXV. LXXVIII.
Man kann es freilich nur voll würdigen, wenn man das Original und zugleich die
ergänzte Nachbildung von E. Gillieron in der Hand hält und nach allen Seiten
drehen kann. Denn hier soll das Bild nicht für sich allein wirken, sondern als
Schmuck eines Knaufes, und dieser Zweck wird in unübertrefflicher Weise erfüllt
durch die beiden Raubtiere, die fest ineinander verbissen in rasendem Lauf um
die Wölbung des Knaufes kreisen und ihn zugleich durch ihre Umschlingung zu
festigen scheinen. Der Löwe ist dem fliehenden Panther auf den Rücken gesprun-
gen, hat ihm die Pranken in Rücken und Bug, die Zähne in den Widerrist ge-
schlagen, während jener den Kopf zurückreißt, um den Verfolger abzuwehren.
Aber er bekommt ihn gar nicht zu fassen, sein Rachen gleitet an der Mähne ent-
lang, er ist wehrlos dem Sieger preisgegeben. (Diese Einzelheiten kommen erst
auf den sorgfältigen Zeichnungen von E. Gillieron d. J. zur Geltung.) Ungemein
glücklich sind mit wenigen Strichen und Punkten die beiden Tierrassen von ein-
ander geschieden. Der zurückfliegende, gezackte Schweif des Panthers gegenüber
dem den Rücken peitschenden des Löwen, die Musterung seines Fells in ihrem
Gegensatz zur Mähne des Gegners, sind ebenso konventionell wie der „fliegende
Galopp". Aber sie wirken überzeugend als Ausdrucksmittel, nicht minder die ver-
schiedene Gestaltung der Köpfe. Der des Panthers ist rund, weich, nur über dem
Auge sonderbar eingetieft, der des Löwen zeigt die charakteristische Zusammen-
stellung kantig voneinander abgesetzter Flächen, die wir in stärkerem oder gerin-
gerem Maße auf allen unseren Darstellungen wiederfinden. In diesem Knauf ver-
bindet sich lebendigste Naturbeobachtung mit geschicktester Anpassung an den
gegebenen Raum und entsprechender Stilisierung.

Zur Klinge mit der Löwenjagd stellen wir die mit rennenden Löwen (395,

l) Zu dieser konventionellen Wiedergabe heftiger Bewegung bei Löwen, Pferden u. a. Vierfüßlern s. Evans I 711 ff.

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