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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0323

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14. Das Handwerk und seine Technik

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lagen von Bergkristall und Lapislazuli (vgl. die Beschreibung oben S. 82) einzig-
artig im ägäischen Gebiet. Dagegen bietet Ägypten eine gute Parallele in einem
Dolche von Daschur (obenS. 199), der älter sein muß als der unsere. Nach dem oben
Gesagten wird man Kreta als Vermittlerin ansehen; hier ist wohl ein minoisches
Importstück zu erkennen, ebenso vielleicht in dem bemalten Kristallknauf 105,
XXXI. LXXVIII (zur Technik oben S. 284).

Überschauen wir die Waffen der Schachtgräber, so müssen wir bei den aller-
meisten Formen minoischen Ursprung anerkennen. Die wenigen festländischen
Typen sind oben S. 197 f. 207 ff. angeführt, sie bieten technisch nichts Besonderes.
Als mykenisch kämen höchstens die mit Eberhauern besetzten Helme in Frage
(Taf. LXIX ff. S. 218 Abb. 94), die zu der allem Waidwerk abgekehrten minoi-
schen Kultur schlecht passen. Die vereinzelten kretischen Beispiele dieser Helm-
zier sind beträchtlich jünger als die Schachtgräber (Evans, Prehist. Tombs 67).

Sicher mykenisch sind die Pfeilspitzen aus Feuerstein und Obsidian
(536 ff., CI), die auf Kreta fast völlig fehlen (oben S. 208). In ihnen ist die alte
Technik der Steinbearbeitung zur höchsten Verfeinerung gediehen. Daß man an ihr
festhielt, statt zu den viel leichter herzustellenden Bronzepfeilen überzugehen,
ist ein Beweis für die relative Selbständigkeit, mit der man in Mykenai damals
noch der überlegenen minoischen Kultur auch im Handwerklichen gegenüberstand.

In diesem Zusammenhang bleibt nicht mehr viel zu sagen. Die Reste eines
prunkvollen Spielbretts (Taf. CLI ff.) gleichen auch im Technischen so sehr denen
von Knossos (Evans I 471 ff. Abb. 338 ff. Farbtaf. V), daß an ihrer Herkunft
kaum ein Zweifel sein kann. Auch die wenigen Schmuckstücke aus Glas und Fay-
ence dürften kretische Arbeiten sein (71, XX. XXIII. 899 f., S. 154 f. Abb. 73),
ebenso wohl der Elfenbeingriff 550, S. 113 f. Abb. 41, 200 Abb. 90), während der
Löffel 824/5, CXXXVI und S. 146 Abb. 62 nach Technik und Ornament festlän-
disch ist. In den Gemmen 116—118, XXIV und S. 59 Abb. 14 f. darf man wohl
die ersten uns erhaltenen Versuche der Glyptik auf dem Festlande erkennen. Die
Technik kam natürlich ebenso wie die Vorbilder aus Kreta. Neben dem Grab-
stichel ist reichlich der Radbohrer verwendet.

Über die Weberei im ägäischen Gebiet wissen wir sehr wenig. Die kreti-
schen Fresken und Stuckreliefs des XVI. Jahrhunderts zeigen kunstvoll gemusterte
Prunkgewänder (Evans II 723 ff. Abb. 450 ff.). Erhalten ist davon nichts; aus
den Schachtgräbern sind wenigstens ein paar Fetzen recht feinen Leinens und
eines groben Bastgeflechtes vorhanden (816, CXLVI. 551, S. 113 Abb. 41, oben
S. 251). Im ganzen gewinnt man den Eindruck, daß das einheimische mykenische
Handwerk zwar willig und gefügig dem überlegenen minoischen gefolgt ist, daß
es aber seine eigene Überlieferung dabei nicht vergaß und vor allem von Anfang
an bestrebt war, das aus der Fremde Übernommene selbständig und schöpferisch
zu gestalten. Und zwar ist dieses Streben gerade in der Zeit der Schachtgräber am
 
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