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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0343

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18. Die

Bedeutung der Schachtgräber

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ein gewaltiger Rundbau von mehr als 28 m Durchmesser1). Freilich erlauben die
spärlich erhaltenen Reste dieser monumentalen Anlage weder eine Rekonstruktion
noch den sicheren Nachweis ihrer einstigen Bestimmung.

Auf den Kykladen scheint in jener Zeit eine offenere, dörfliche Bauweise ge-
herrscht zu haben, wohl weil man feindlichen Angriffen weniger ausgesetzt war.
Indessen reicht unsere Kenntnis zu einem gültigen Urteil noch keineswegs aus; und
Agina zeigt ähnlich eng gestellte Häuser wie etwa Hagios Kosmas an der attischen
Küste2). Dasselbe gilt für das frühminoische Kreta, wo freilich die Hausformen
ganz andere sind.

Das ganze ägäische Gebiet dürfte damals von einer ziemlich einheitlichen Be-
völkerung bewohnt gewesen sein, die man nach griechischer Uberlieferung Karer
nennen mag1); auch die minoischen Kreter waren wohl ein Zweig dieses großen
Stammes, wenn er auch früh zu weit höherer Blüte gedieh als alle anderen. Han-
delsbeziehungen verbanden schon im III. Jahrtausend die verschiedenen Teile die-
ses Gebietes, reichten im Osten nach Anatolien, im Norden in den Balkan hinauf;
Kreta war schon mit Ägypten und Syrien in Verkehr getreten. Aber auch auf dem
Festlande bezeugen neben dem Rundbau von Tiryns vereinzelte kostbare Gold-
funde eine verhältnismäßig hohe Kulturstufe. Die Keramik hat eine nicht geringe
technische Feinheit und einen klaren, reifen Stil erreicht, nicht minder die steiner-
nen Gefäße und Idole. Die vorhellenischen Namen so vieler prähistorischer Sied-
lungen bestätigen die trotz vielfacher Stammesunterschiede einheitliche Bevölke-
rung der ganzen Ägäis.

Wie in Tiryns müssen auch in anderen entsprechenden Burgen Gaufürsten
gesessen haben, deren Herrenhäuser wir bloß noch nicht kennen. Für Kleinasien
gibt Troja II mit seinem Megaronbezirk eine lehrreiche Parallele4). Aus solchen
kleinen Fürstentümern hatten sich in Mesopotamien und Ägypten bereits seit vie-
len Jahrhunderten größere Einheiten und schließlich Weltmächte zusammenge-
schlossen, als im ägäischen Gebiet des III. Jahrtausends noch völlige Zersplitterung
herrschte. Nur Kreta war wohl politisch schon damals ein Gesamtreich unter der
Oberhoheit von Knossos. Der Balkan ist für diese Probleme noch allzu wenig er-
forscht. Für Ungarn und Südrußland (Lengyel, Tripolje) hat 0. Menghin (Welt-
geschichte der Steinzeit 59) wichtige Richtlinien gezogen.

Die Eindringlinge aus dem Norden scheinen von der Kultur, die sie auf dem

*) Kurt Müller, Tiryns III 80ff. Taf. 5. 29 ff. Fundamente aus Feldsteinen, Hochbau aus Lehmziegeln, Bedachung
aus flachen Schieferplatten und gebrannten Ziegeln (dieselben Ziegel im FH. Asine, Arch. Anz. 1930, 113). Ein äußerer
Mauerring mit zungenförmigen Strebepfeilern und ein jenem paralleler Innenring sind gesichert; über die innere
Einteilung läßt sich nichts sagen. Zur historischen Bedeutung H. Berve, Griech. Geschichte I 1931, 18 ff.

2) Ägina: Gnomon II 1926, 121; H.Kosmas: Arch. Anz. 1931, 233f.

3) Auch sie waren keine reine Rasse mehr; mediterrane und kleinasiatische, vielleicht auch indogermanische
Elemente mögen hier verschmolzen sein. Vgl. W. Otto, Kulturgesch. d. Altertums 55 ff.

a) Aberg, a. a. O. 151 f. glaubt an eine „Suprematie" von Troja in jener Zeit, die erst viel später durch Mykenai
gebrochen worden sei. Der archäologische Befund scheint mir indessen die Selbständigkeit der Kykladen und des
Festlandes gegenüber Troja auch für die Frühzeit zu beweisen.

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