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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Weizsäcker, Heinrich: Karl von Pidoll
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0166

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«?~s=S> KARL VON PIDOLL

herzogs von Luxemburg, das gleichfalls
unseren Illustrationen eingefügte weibliche
Bildnis mit der Ca d'oro im Hintergrunde
die meiste Bewunderung auch in weiteren
Kreisen gefunden. Mit einer, man darf
wohl sagen, an Holbein erinnernden Sach-
lichkeit des zeichnerischen Vortrags und mit
einer Tonstärke, die nahe an das Ziel der
in dem Mareesschen Kreise so leidenschaft-
lich erstrebten Wirkung „bis zur Illusion"
heranreicht, ist in diesen Werken das wert-
vollste gegeben, was sich in künstlerischer
Arbeit geben lässt: die Inspiration einer
reifen und ganz auf sich gestellten Persön-
lichkeit.
Inmitten einer angespannten Thätigkeit hat
v. Pidolls Leben seinen Abschluss gefunden.
Um die Vollendung angefangener grösserer
Arbeiten unter günstigeren Umständen zu be-
treiben, als in den langen dunklen Monaten
des deutschen Winters möglich schien, war
er, seiner angegriffenen Gesundheit nicht
achtend, um Weihnachten nach Rom ge-
gangen. Ein Rückfall in das alte Nerven-
übel hat dort am 17. Februar 1901 zum
jähen Ende geführt; auf dem Friedhof an
der Cestiuspyramide, wo auch Marees be-


KARL VON PIDOLL BILDNIS

graben liegt, ist dem Dahingeschiedenen die
letzte Ruhestätte zu teil geworden.
Unwillkürlich stellt sich im Leben wie im
Tode dieses hochbegabten Künstlers die
Parallele mit seinem Freunde und Lehrer
ein, insofern auch diesem die Vollendung
seines Strebens zu sehen nicht vergönnt ge-
wesen ist. Es ist im Leben beider ein
tragisches Moment, das den Ausgang be-
stimmt. Aber es wäre trotzdem verfehlt,
wollte man diesen Eindruck in die Form der
Resignation gegenüber einem unerbittlichen
Schicksal kleiden. Wenn man sich die Art
und Weise vergegenwärtigt, wie sich Marees
seiner Zeit von der herkömmlichen Schule,
die ja auch ihn erzogen hatte, loslöste, wie
er in dem Gefühl, dass es gänzlich umzu-
lernen gelte, in die Schranken trat gegen
das äusserliche Virtuosentum einer in sich
überlebten akademischen Ueberlieferung, wie
er, abgestossen von der Unwahrheit und
Aufdringlichkeit eines artistischen Unter-
nehmertums, das ihm von Natur und Kunst
gleichweit entfernt schien, ein neues, innigeres
reineres Verhältnis zur Natur zu finden
unternahm, so tritt seine Gestalt in eine
Reihe mit den Heroen jener Kämpfe, in
denen das vergangene Jahrhundert die Un-
abhängigkeit und Wahrheit des künstlerischen
Empfindens erfolgreich gegen alle rückschritt-
lichen Mächte behauptet hat. Er stritt für
sich allein und auf seine Weise und vor
allen Dingen abseits von jenen Tendenzen,
die man heute kurzweg unter dem Namen der
Secession zusammenfasst. Diese würde er
vielleicht, so wenig wie v. Pidoll später
that, schlechthin verurteilt haben. Aber er
stand doch auf einem anderen Grund. Die
Maxime von der unbedingten Superiorität
der Kunst der Griechen und des Cinquecento,
die damals unter den Gebildeten mehr An-
hänger als heute zählte, stand im Anfang
seines künstlerischen Bekenntnisses, hier sah
er die Sterne leuchten, die seinen Pfad er-
hellen sollten. Und hier hat auch v. Pidoll
mit seinen künstlerischen Grundansichten
eingesetzt. Die moderne Bewegung von
heute treibt im grossen und ganzen in einem
anderen Kurs; ob jene im Grunde besser
orientiert waren, wird die Zukunft lehren.
Dass, als v. Pidoll sich mit Marees ver-
band, Mut dazu gehörte, um sich einer Ueber-
zeugung anzuschliessen, die schon damals
so gut wie keine Aussicht hatte, bald zur
Anerkennung zu gelangen, liegt auf der
Hand, es bedurfte des vollen Einsatzes der
Persönlichkeit dazu, und Pidoll wusste das,
er wusste auch später, dass der Standpunkt

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