Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

DOI article:
Clemen, Paul: Albert Bartholomé
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0048

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
-s-SÖ> ALBERT BARTHOLOME <^S=»>

zogen, und der Kopf im Verscheiden hinten sige und furchtbare Realismus des Kruzifixus
übergefallen, mit gebrochenen Augen, offenem tritt hart neben die keusche Innigkeit der
Mund. Nichts Mildes und Versöhnendes in unteren Gruppe. Diese Gruppe ist zuletzt in
diesem Christus, das ist nicht der Heiland, von ihrer Abgrenzung unplastisch, sie schneidet
dessen Lippen das: „Kommet her zu mir alle, ziemlich unmotiviert und hart ab, nur unvoll-
die ihr mühselig und beladen seid", tönt — es ist kommen verkleidet eine magere Gewanddra-
der Christus, von dem es heißt: Und er schrie pierung die Schnittflächen, nicht sehr glücklich
laut auf und verschied. So hat ihn Grüne- ist auch der Sockel. Die Beibehaltung der
wald im Isenheimer Altar geschildert, so Hans nüchternen alltäglichen Tracht — der Künstler
Holbein in der Baseler Predella. Am Fuße selbst erscheint in einer kurzen hochge-
des Kreuzes auf einem niedrigen ovalen, stei- schlossenen Arbeitsjoppe — erinnert noch an
nernen Sockel von einfachstem Profil eine den Maler Bartholome; aber welches eminente
wunderbar ergreifende Gruppe in Bronze: zwei Können lebtschon in der Ausführung: man sehe
Halbfiguren, der Künstler mit seiner Gattin, den Brustkasten Christi oder sein schmerzlich
Sie ruht auf ihrem letzten Lager, das edle Haupt verzogenes und doch nicht verzerrtes Antlitz
mit dem scharfgeschnittenen Profil leicht auf und die gefalteten Hände der Toten. Und
dem Kissen zur Seite gewendet, die schlanken im einzelnen, in der Behandlung des schlichten
Hände unter der Brust gefaltet, und der Witwer Haares der Verschiedenen, des leichtgekräu-
beugt sich über sie zu einem letzten Kusse, selten Bartes und Haupthaares Christi fast
mit einer unendlich rührenden Bewegung seine schon eine Virtuosität. Das Denkmal ward ein
Rechte leise auf ihre Brust legend und seine Jahr nach dem Tode der Gattin aufgestellt:
Stirn in ehrfürchtiger Scheu vor der Majestät dieses einejahr hatte den Künstler, der früher
des Todes zum Abschied noch einmal an die nur spielend in plastischen Experimenten sich
Stirn der Toten lehnend. Wie in Gedanken versucht hatte, zum Bildhauer gereift. Kein
steht auch künstlerisch, in Aufbau und Kom- Lehrer stand dem Einsamen bei. „Ich war
Position, manches ungelöst da. Der grau- achtunddreißig Jahre", schreibt Bartholome,

„als ich von der Plastik ergriffen
wurde und ich glaube, daß ich
mein Leben mit ihr enden werde".
Es ist eine der merkwürdigsten
künstlerischen Wandlungen —
welche unerschöpfliche Jugend-
kraft mußte in ihm wohnen, daß
er in diesem Alter, plötzlich ver-
einsamt, mit so verblüffender
Raschheit gänzlich umzulernen
beginnen konnte.

Aber dies in der Provinz ver-
lorene Grabdenkmal hatte ihn
innerlich nicht frei zu machen
vermocht. Noch hatten die
Todesgedanken Macht über seine
Seele und rangen in ihm nach
Gestaltung. Erst langsam löste
sich sein Schmerz, und in der
tiefen Einsamkeit, in die er sich
vergraben hatte, wuchs ihm aus
der ganz persönlichen und intimen
Trauer um die unvergeßliche Ge-
nossin seiner glücklichen Jahre
ein tiefes schwermütiges Mit-
gefühl mit allen denen, die ihren
Lieben nachtrauern. Er hatte zu
lange am Tor des Todes gewacht
und gestanden: für ihn hatte der
Tod seine Schrecknisse verloren
alb. Bartholome ursprünglicher Entwurf — nicht mehr in fürchterliche

zum monument aux horts Abgründe führte jene dunkle

36
 
Annotationen