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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Elias, Julius: Walter Leistikow
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0369

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-*-SÖ> WALTER LEISTIKOW

sehen wünscht. . . . Also, das ist in Leistikow Der war nur ein Vorspiel zu einem spä-
die eine Seele: die ars militans, die literarische teren, wirksameren Stück. Doch hätte bei
Surrogate verlangt. In Leistikow, der den seinen begrenzteren und schwächeren Ein-
„Literaturfrühling" mitschauend, mitbauend flüssen dieser Klub auch kein anderes Ver-
erlebt hatte, dämmerte zeitig etwas von einem dienst gehabt, als der Kraft Max Lieber-
Kunstfrühling, etwas von frischer, fröhlicher manns den Sieg erleichtert, als Walter
Kampfeszeit. Er verteidigt den verfemten Leistikow zur Entdeckung seiner Persönlich-
Edvard Münch in einer ebenso kecken wie keit geführt zu haben: es wäre genug und
schwelgerischen Jugendsprache; die erste wert des Schweißes von elf Edlen.
Reise nach Paris, die ihm zuerst das Auge Das war der eine große Glücksfall in Leisti-
öffnete für die wahrhaft treibenden Kräfte kows Leben, daß er Liebermann kennen lernte,
der modernen malerischen Bewegung, läßt daß er in mehr als gewöhnliche Künstler-
ihn Front machen gegen die großen Kunst- beziehungen zu ihm treten und an seiner
märkte und schwärmen für die vereinfachten Seite sich durchsetzen durfte. Er ist der
Ausstellungen, die „kleinen intimen Arran- feinste Typus derer, die auf den Spuren
gements"; er verteidigt das Recht der „Elf", des bedeutenden Pioniers weiter gekommen
und als nach Jordans Mißwirtschaft Hugo von sind; er ist es, ohne eigentlich Liebermanns
Tschudi über das wüste Grau unseres neueren Schüler gewesen zu sein, d. h. in seinem
Museumswesens helleren Tag heraufzuführen Atelier sich handliche Vorteile erwirkt oder
begann, da schützte Leistikow — mit reiferen in formalen Dingen ihn nachgeahmt zu haben.
Argumenten und mehr abgewogener Rede — Doch Liebermann hat ihn zur Naivetät der
den einsichtigen und tüchtigen Mann gegen die Naturauffassung hingeführt; er hat das Auge
offen wie verkappt kämpfende Wernerpartei. des alten Eschke- und Gudeschülers (was er
Der Verein der „Elf war 1892 frisch insblüh- an guten Fertigkeiten, an nützlichen Paletten-
ende Leben gesprungen. Doch dieses Märzen- künsten bei diesen gediegenen Landschaftern
kind brachte nicht sogleich den vollen „Kunst- erlernte, soll nicht unterschätzt werden) frei
frühling" ; bis deranbrach, dasdauerte noch eine und hellgemacht: dieNaturnichtzu „studieren",
gute Weile. Wohl bestand ein feiner Zusammen- sondern lieben zu lernen, Motive nicht zu
hang zwischen der „Freien Bühne" und dieser suchen, vielmehr zu finden, sie nicht nach
Künstlerschöpfung: beide haben das Zeichen künstlichen und äußeren Gesetzen zu runden,
einer neuen Zeit in ein Brachland gepflanzt. sondern sie da abzuschneiden, wo die Emp-
Aber die Tätigkeit der „Freien Bühne" war findung von der inneren Geschlossenheit des
auf ihrem Gebiete weit entscheidender, durch- realen Eindrucks es gebietet. Durch Lieber-
greifender, erfolgkräftiger als der mit stilleren mann bekam Leistikow erst Witterung vom
Mitteln geführte Malerkampf der „Elf". Geiste der Natur, die echte und rechte Ge-

fühlsbildung. *j
Man braucht
Leistikow nicht
fürLiebermanns
Pair zu halten
und darf doch
zwischen ihnen
verwandte An-
lagen feststellen:
in beiden ist ein
Stück von einem
Dichter. Leisti-
kow ist immer

in Feiertags-
stimmung. Er
liebt den Wald,
und der Wald
verkündet ihm;
er liebt die spie-
gelglatten Ge-
wässer, und die
Seele der Natur

walter leistikow pommerscher strandsee (1887) erscheint ihm in

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