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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 18.1902-1903

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Habich, Georg: Die Sommer-Ausstellung der Münchener Secession, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12081#0495

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-3-4^> MÜNCHENER SECESSION -Cfeu^

In diesem Jahr hat man von der Einladung
ganzer Gruppen — wohl infolge des immer fühl-
barer werdenden Platzmangels — abgesehen,
dafür aber eine Blütenlese der ausländischen
Malerei gebracht, die an Vielgestaltigkeit
nichts zu wünschen übrig läßt. Außer Italien,
dessen Fehlen allerdings nur etwa im Hin-
blicke auf die alten venetianischen Stamm-
gäste der Secession Ettore Tito u. s. w.
bedauert werden kann, ist kein Kulturland
Europas unvertreten. Dabei lernt man auch
einige in Deutschland völlig neue Erschei-
nungen kennen. So den großen Pyro-
techniker der modernen französischen Malerei,
Hermen Anglada, den man sowohl dem
Namen als seinem Temperamente nach eher
für einen Spanier halten möchte. Er ist mit
drei Stücken von einer eigenartigen undkühnen
Farbenphantastik vertreten. Das bedeutendste
darunter wohl die „Danse Gitana" (Abb.
s. S. 478). Die braune Tänzerin in buntem,
rotblauem Kostüm wirft in tollem Wirbel

JOSEF FLOSS AI ANN ZIERFIGUR
Ausstellung der Münchener Secession

den dekolletierten Oberkörper rückwärts, von
grellem künstlichem Lichte beleuchtet, wäh-
rend in der grünen Dämmerung des Hinter-
grunds die Gestalten der Musikanten und
applaudierender Zuschauer auftauchen. Das
Beleuchtungskunststück wirkt frappant, be-
sonders interessant die halb beleuchteten
Nebenfiguren. Die Darstellungselbst, voll Verve
und Feuer, fesselt auch durch die technische
Bravour, mit der das Bild heruntergemalt ist.
Solche kontrastäre Effekte liebt der Künstler
auch sonst. Zwei feurige andalusische Rosse,
ein violettschwarzes, das andere fast zitron-
gelb, stellte er in der eigentümlich phosphores-
zierenden Luftstimmung nach abendlichem
Regen scharf gegeneinander. Die merkwürdig
barocke Silhouettierung der beiden Tierkörper
verbindet sich hier mit der eigenartigen
Transparenz der Beleuchtung zu einer fast
gespenstischen Erscheinung. Visionär, phan-
tomartig berührt auch das dritte Bild des
interessanten Künstlers. Ein Park: in der
Tiefe die grelle Sonnenbeleuchtung des süd-
lichen Himmels, während im Blaugrün des
Baumschattens im Vordergrund eine fast ver-
trakt anmutende, lemurenartige Frauengestalt
in Weiß und Lila schillernden Gewändern auf-
ragt; Landschaft wie Staffage gleich rassig.
Spricht man von Rasse und von Spanien, so
muß sogleich auch Zuloaga genannt werden,
der mit einem großen, mehrfigurigen Bilde
„Die Familie des Stierkämpfers Gallito" (Abb.
s. S. 477) vertreten ist. Gruppiert ist dieses
Porträtstück — vielleicht absichtlich —, wie
etwa ein schlechter Photograph ein „Familien-
bild" stellt. Im Vordergrund in der Mitte
sitzt die korpulente Figur der Mutter, neben
ihr der Stolz der Familie, der berühmte Mata-
dor, auf dem Knie sein Söhnchen, das —
genau wie beim Photographen — nicht still
halten will, im zweiten Plan die Frau und
die Schwestern Gallitos, die letzten von unver-
fälscht maureskem Typus. Das Bild ist ge-
wiß nicht schlechter, als was Zuloaga sonst
in dieser Art macht. Die Kostüme, so na-
mentlich das rosaseidene des Torero, sind
sogar mit besonderer Liebe und Finesse ge-
malt. Aber jede Figur ist für sich behandelt,
wie dies Zuloagas regelmäßiger Fehler ist, und
hier kommt hinzu, daß der linoleumartig gelbe
Hintergrund nicht ausreicht, das Bunt-Figür-
liche auch nur dem Scheine nach zusammenzu-
halten, was sonst bei seinen im übrigen nicht
weniger gleichgültigen Landschaftshinter-
gründen nicht in dem Maße fühlbar wird.

Ist es bei Zuloaga ein gewisser unver-
hüllter Barbarismus, der seine Sachen schon
äußerlich pikant macht, so haben wir den

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